Untreue von Betriebsräten gegenüber Arbeitnehmern

 

 

von

Katrin Cosack

 

 

 

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Untreue von Betriebsräten gegenüber Arbeitnehmern › Herausgeber

Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht

 

Herausgegeben von

Prof. Dr. Mark Deiters, Münster

Prof. Dr. Thomas Rotsch, Gießen

Prof. Dr. Mark Zöller, Trier

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

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ISBN 978-3-8114-4454-6

 

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Vorwort

Die Frage nach einer möglichen Strafbarkeit von Betriebsräten wegen Pflichtverletzungen gegenüber Arbeitnehmern begegnet nicht selten politischen Vorbehalten.

Ziel dieser Arbeit war es jedoch nicht, die häufig hoch verdienstvolle Betriebsratsarbeit generell einem strafrechtlichen Regime zu unterstellen. Vielmehr ging es mir darum, zu untersuchen, ob und in welchen Extremfällen es auch in der betrieblichen Mitbestimmung zu strafwürdigem Verhalten kommen kann, welche Rolle Korruption dabei spielt und wie ein möglicher Machtmissbrauch von Betriebsräten zu verhindern ist.

Die einfache Antwort auf letzteres wurzelt in der allgemeingültigen Erkenntnis, dass die Vergabe von Macht nur zusammen mit persönlicher Verantwortung funktioniert. Einen solchen, andernorts selbstverständlichen, Regulationsmechanismus auch im Betriebsverfassungsgesetz zu etablieren, sollte meines Erachtens über politische Grenzen hinweg zustimmungsfähig sein, zumal die gesetzlichen Änderungen, die hierzu vorzunehmen wären, marginal sind.

Mein Doktorvater, Herr Univ.-Professor Dr. Bernd Hecker, stand dieser Thematik von Anfang an unvoreingenommen und interessiert gegenüber, wofür ich ihm zutiefst dankbar bin. Dass ich jederzeit auf seine unmittelbare Unterstützung zählen konnte, hat mich menschlich nachhaltig beeindruckt. Es war eine Freude und eine Ehre, bei ihm promovieren zu dürfen.

Das Zweitgutachten hat Herr Univ.-Professor Dr. Thomas Raab erstellt.

Ein herzlicher Dank geht an Herrn Univ.-Professor Dr. Mark Zöller, der sich für die Aufnahme meiner Abhandlung in diese Reihe eingesetzt hat.

Außerdem danke ich der Handwerkskammer Trier dafür, dass sie dieser Schrift den Ökonomiepreis 2015 zuerkannt hat.

Sie wurde im Sommersemester 2015 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Trier als Dissertation angenommen.

Insbesondere und von Herzen danke ich schließlich meinem Mann Professor Dr. Tilman Cosack und unseren Töchtern Louisa und Emma. Ihr wisst, wofür.

Trier im Juli 2015

Katrin Cosack

Vorwort › Widmung

 

 

 

Für meinen Vater

Jochen Finkmann

in liebevoller Erinnerung an meine Mutter

Veronika Finkmann (1946 – 2011)

Inhaltsverzeichnis

 Vorwort

Teil 1Das Verhältnis Arbeitnehmer – Betriebsrat: Ein strafrechtsfreier Raum?

 A.Einführung in die Problematik und Ausblick auf den Gang der Untersuchung

  I.Arbeitsgerichtliche Realität

   1.Urteil des LAG Köln 2004

   2.Urteil des LAG Sachsen 2008

  II.Strafrechtliche Annäherung

  III.Gang der Untersuchung

 B.Autonomie der Betriebsverfassung contra Strafverantwortung des Staates

  I.Einordnung der Problematik unter das Verhältnis von Legalitäts- und Opportunitätsprinzip

  II.Argumente gegen die Anwendung von Strafrecht im kollektiven Arbeitsrecht im Licht des Opportunitätsprinzips

   1.Autonomie der Betriebsparteien

   2.Kriminalisierung des Arbeitsrechts

   3.Arbeitsrechtlicher Grundsatz der individuellen Rechtsverteidigung

   4.Gefährdung der betrieblichen Mitbestimmung durch Haftungsrisiken

  III.Auseinandersetzung mit den Argumenten der Strafrechtsgegner

   1.Zum Argument der Gefährdung der betrieblichen Mitbestimmung durch Haftungsrisiken

   2.Zum Argument der Autonomie der Betriebsparteien

   3.Zum Argument der Kriminalisierung des Arbeitsrechts

   4.Zum arbeitsrechtlichen Grundsatz der individuellen Rechtsverteidigung

  IV.Ergebnis zu B.: Kein genereller Ausschluss der staatlichen Strafverantwortung unter Opportunitätsgesichtspunkten

 C.Ausschluss staatlicher Strafverantwortung wegen ausreichender Ahndungs- und Kontrollmechanismen des Betriebsverfassungsrechts?

  I.Straf- und Bußgeldvorschriften gemäß §§ 119 ff. BetrVG

   1.Teilnehmerstrafbarkeit gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG

   2.Antragserfordernis gemäß § 119 Abs. 2 BetrVG

   3.Ergebnis zu I.

  II.Ahndung der Verletzung gesetzlicher Pflichten gemäß § 23 BetrVG

   1.Anwendungsbereich

   2.Nachteile

   3.Ergebnis zu II.

  III.Rechtsschutzmöglichkeiten der Arbeitnehmer gegen den Betriebsrat im Rahmen einzelner Mitbestimmungsrechte

   1.Mitbestimmung bei vorübergehender Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG

   2.Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen gemäß § 99 BetrVG

   3.Widerspruchsrecht bei Kündigungen gemäß § 102 Abs. 3 BetrVG

    a)Vorläufiger Weiterbeschäftigungsanspruch gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG

    b)Allgemeiner Weiterbeschäftigungsanspruch

    c)Vergleich zwischen vorläufigem und allgemeinem Weiterbeschäftigungsanspruch

    d)Fehlende Transparenz und Korruptionsgefahr

   4.Das Zustimmungserfordernis gemäß § 102 Abs. 6 BetrVG

   5.Druckkündigung gemäß § 104 BetrVG

   6.Interessenausgleich mit Namensliste gemäß § 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG i.V.m. § 1 Abs. 5 KSchG

    a)Voraussetzungen und Auswirkungen

    b)Keine gesetzliche Absicherung der ordnungsgemäßen Sozialauswahl durch den Betriebsrat

   7.Sozialplan gemäß § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG

  IV.Ergebnis zu C.

 D.Ausschluss von Strafe als Ultima Ratio aufgrund unrechtskompensierender zivilrechtlicher Haftung?

  I.Denkbare Anspruchsgrundlagen

   1.Vertragliche Ansprüche gegen den Betriebsrat

   2.Bereicherungsrechtliche Ansprüche gegen den Betriebsrat

   3.Haftung des Arbeitgebers für sein eigenes oder das Fehlverhalten des Betriebsrats

   4.Deliktische Ansprüche gemäß §§ 823 ff. BGB

    a)Haftung des Kollegialorgans

    b)Haftung des einzelnen Betriebsratsmitglieds

     aa)Einschränkung wegen grundsätzlicher Inkompatibilität von Delikts- und Betriebsverfassungsrecht?

     bb)Einschränkung der für § 823 Abs. 2 BGB in Betracht kommenden Schutzgesetze auf solche, die ein Betriebsratsmitglied allein verletzen kann?

     cc)§ 75 BetrVG als Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB?

     dd)Keine praktische Durchsetzbarkeit wegen Nichtanwendbarkeit von § 830 Abs. 1 S. 2 BGB

  II.Ergebnis zu D.

 E.Zusammenfassung zum 1. Teil

Teil 2Untreue von Betriebsräten gegenüber Arbeitnehmern

 A.Tatbestandsvoraussetzungen der Untreue gem. § 266 Abs. 1 StGB und Verfassungsmäßigkeit laut Bundesverfassungsgericht

  I.Tatbestandsvoraussetzungen

  II.Verfassungsmäßigkeit

 B.Vermögensqualität des Arbeitsverhältnisses

  I.Abgrenzung zur Arbeitsleistung als Vermögenswert

  II.Der zukünftige Lohn-/Gehaltsanspruch als Anwartschaft

   1.Allgemeine Voraussetzungen für den Vermögenscharakter einer Exspektanz

   2.Konsequenzen für den zukünftigen Lohn-/Gehaltsanspruch

  III.Notwendigkeit restriktiven Herangehens wegen §§ 266 Abs. 2, 263 Abs. 3 Nr. 3 StGB

  IV.Ergebnis zu B.

 C.Die Vermögensbetreuungspflicht des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitnehmer

  I.Die Vermögensbetreuungspflicht als besonderes persönliches Merkmal und ihre Bedeutung als Garantenpflicht

  II.Inhalt der Vermögensbetreuungspflicht

  III.Darstellung und Auseinandersetzung mit der Auffassung Lobingers zur Vermögensbetreuungspflicht des Betriebsrats gegenüber Arbeitnehmern

   1.Die „verfügungsgleiche Macht“ des Betriebsrats nach Lobinger

    a)Im Rahmen des Sozialplans gemäß § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG

    b)Im Rahmen des Interessenausgleichs mit Namensliste gemäß § 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG i.V.m. § 1 Abs. 5 KSchG

    c)Im Rahmen des Widerspruchsrechts bei Kündigungen gemäß § 102 Abs. 3 BetrVG

   2.Keine allgemeine Vermögensbetreuerstellung des Betriebsrats

    a)Argumentation Lobingers

    b)Würdigung seiner Argumentation

   3.Lobingers Trias der Beteiligungstypen und ihre Bedeutung für die Vermögensbetreuungspflicht des Betriebsrats

    a)Kategorienbildung anhand des Innenverhältnisses

     aa)Erster Typus: Wahrnehmung eigener Rechte des Betriebsrats

     bb)Zweiter Typus: Betriebsrat als Medium des Individualschutzes

     cc)Dritter Typus: Wahrnehmung (betriebs-)öffentlicher Interessen durch den Betriebsrat

     dd)Lobingers Ergebnis: Vermögensbetreuungspflichten nur im zweiten Typus möglich

    b)Konkrete Schlussfolgerungen Lobingers aus seiner Kategorienbildung und Auseinandersetzung mit diesen

     aa)Hinsichtlich der Druckkündigung gemäß § 104 BetrVG

     bb)Hinsichtlich der Namensliste gemäß § 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG i.V.m. § 1 Abs. 5 KSchG

     cc)Hinsichtlich des Sozialplans gemäß § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG

     dd)Hinsichtlich des Widerspruchsrechts des Betriebsrats bei Kündigungen gemäß § 102 Abs. 3 BetrVG

   4.Ergebnis zu III.

  IV.Eigener Ansatz: Zurück zu den formalen Vorgaben des § 266 Abs. 1 StGB

   1.Die unterschiedliche Bedeutung der Quellen von Vermögensbetreuungspflichten in Missbrauchs- und Treuebruchtatbestand

    a)Auslegung des Wortlauts von § 266 Abs. 1 StGB und unterschiedliche Bedeutung der Rechtsgründe in Missbrauchs- und Treuebruchvariante

    b)Auslegung nach Sinn und Zweck und Auswirkung auf die allein durch Gesetz begründete Vermögensbetreuungspflicht des Treuebruchtäters

    c)Ergebnis zu 1.

   2.Das Gesetz als einzige Quelle von Vermögensbetreuungspflichten des Betriebsrats

   3.Voraussetzungen der Vermögensbetreuungspflichtverletzung des Treuebruchtäters mittels Gesetzesverstoß

   4.Befugnis des Betriebsrats zu rechtsgeschäftlicher Verfügung über Vermögenswerte von Arbeitnehmern i.S.d. Missbrauchsvariante?

    a)Befugnismissbrauch durch nachteilige Betriebsvereinbarung?

     aa)Streit hinsichtlich „umfassender Regelungskompetenz“ der Betriebspartner

      (1)BAG contra Teile der neueren Literatur

      (2)Eigene Auffassung

     bb)Ergebnis zu a)

    b)Befugnismissbrauch durch andere nachteilige kollektive Vereinbarung?

    c)Ergebnis zu 4.: Kein Missbrauch durch Betriebsrat denkbar

   5.Formale und inhaltliche Anforderungen an ein Vermögensbetreuungspflichten begründendes Gesetz im Rahmen des Treuebruchtatbestandes

    a)Formale Anforderungen an ein Vermögensbetreuungspflichten begründendes Gesetz

    b)Inhaltliche Anforderungen an ein Vermögensbetreuungspflichten schaffendes Gesetz

     aa)Die Rechtsbeziehung zum Vermögensinhaber als Einzelpflicht

     bb)Hauptpflicht zum Vermögensschutz

      (1)BGH zu Siemens/AUB

      (2)BGH zum Kölner Parteispendenfall

    c)Ergebnis zu 5.

   6.Der Pflichtcharakter der betriebsverfassungsrechtlichen Generalklauseln und seine Ausstrahlungswirkung auf einzelne Mitbestimmungsrechte

    a)§ 2 Abs. 1 BetrVG

     aa)Ausstrahlungswirkung auf Mitbestimmungsrechte

     bb)Jedoch kein individueller Arbeitnehmerschutz

    b)Arbeitnehmerschutz durch das Überwachungsgebot gemäß § 75 Abs. 1 BetrVG

     aa)Recht und Billigkeit

     bb)Diskriminierungsverbot und Gleichbehandlungsgebot

     cc)Auswirkung der Legalitätspflicht auf Beurteilungs- und Ermessensspielraum der Beteiligungsrechte

      (1)Im Rahmen des Beurteilungsspielraums hinsichtlich der Voraussetzungen eines Mitbestimmungstatbestands

      (2)Im Rahmen des Ermessensspielraums zur Wahrnehmung des Mitbestimmungsrechts

     dd)Ergebnis zu b): Untreuerelevanter Arbeitnehmerschutz durch § 75 Abs. 1 BetrVG nur bei ausschließlich individualschützendem Beteiligungsrecht

   7.Ergebnis zu IV.

  V.Ermittlung von Vermögensbetreuungspflichten durch Anwendung der gewonnenen Erkenntnisse auf die in Betracht kommenden Mitbestimmungstatbestände

   1.Mitbestimmungsrechte gemäß § 87 BetrVG

    a)Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG

    b)Festsetzung leistungsbezogener Entgelte gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG

    c)Vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG

    d)Zeitliche Lage des Urlaubs gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG

    e)Soziale Leistungen und Wohnraum gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 9 BetrVG

    f)Ergebnis zu 1.: Keine Vermögensbetreuungspflicht wegen kollektiver Regelungsintention

   2.Mitbestimmungsrechte bei personellen Einzelmaßnahmen, § 99 Abs. 2 Nrn. 1 bis 6 BetrVG

    a)Kein Vermögensbezug der einzelnen Beteiligungsgegenstände bei verweigerter Zustimmung zur Verbesserung der Arbeitnehmersituation

    b)Keine ausschließlich individuelle Schutzrichtung bei Zustimmung trotz Verschlechterung der Arbeitnehmersituation

    c)Ergebnis zu 2.

   3.Mitbestimmung bei Kündigungen gemäß § 102 Abs. 2, 3 BetrVG

    a)Bestimmung des Schutzzwecks und Abgrenzung von der Folge des Kündigungswiderspruchs

    b)Ausschließlich individualschützender Charakter

    c)Keine Auswirkung der fehlenden Verhinderungswirkung des Widerspruchs

    d)Keine Auswirkung des dennoch möglichen Kündigungsschutzprozesses

    e)Ergebnis zu 3.

   4.Die Zustimmung des Betriebsrats als Wirksamkeitsvoraussetzung einer Kündigung gemäß § 102 Abs. 6 BetrVG

   5.Die sogenannte Druckkündigung gemäß § 104 BetrVG

   6.Sozialplan gemäß § 112 Abs. 1 S. 2, 3 BetrVG

   7.Interessenausgleich mit Namensliste gemäß § 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG i.V.m. § 1 Abs. 5 KSchG

   8.Ergebnis zu V.: Vermögensbetreuungspflichten nur bei § 102 BetrVG

  VI.Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht durch Ermessensmissbrauch; Korruptionsbezug

   1.Arten von Ermessensfehlern

   2.Vorsatz nur beim Ermessensmissbrauch

   3.Ermessensmissbrauch und Wechselwirkung mit der Betriebsratsbegünstigung gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG

   4.Ergebnis zu VI.

  VII.Vermögensbetreuungspflicht des einzelnen Betriebsratsmitglieds

  VIII.Zusammenfassung und Ergebnis zu C.

 D.Weitere Tatbestandsvoraussetzungen gemäß § 266 Abs. 1 StGB

  I.Vermögensnachteil des Arbeitnehmers

   1.Kündigung oder Entlassung?

   2.Verlust des Weiterbeschäftigungsanspruchs?

   3.Ergebnis zu I.

  II.Kausalitätsfragen

   1.Kausalität der Gremienentscheidung für den Eintritt des Vermögensnachteils

   2.Kausalität des einzelnen Votums für den Betriebsratsbeschluss

    a)Die Gegenstimme

    b)Die Zustimmung

    c)Die Enthaltung

    d)Ergebnis zu 2.

   3.Keine Beschlussfassung, sondern Zustimmungsfiktion gemäß § 102 Abs. 2 S. 2 BetrVG

  III.Objektive Zurechnung des Vermögensschadens in Gestalt der Kündigungserklärung

   1.Grundsätzlich zur Bedeutung der objektiven Zurechnung beim Vorsatzdelikt Untreue

   2.Folgen für die Untersuchung

    a)Pflichtwidrigkeitszusammenhang

     aa)Beim Unterlassen des Kündigungswiderspruchs gemäß § 102 Abs. 3 BetrVG

     bb)Bei der Zustimmung gemäß § 102 Abs. 6 BetrVG

    b)Schutzzweckzusammenhang; Vermögensbetreuungspflicht als Sorgfaltsanforderung

     aa)Rechtsnormverstoß als Vermögensbetreuungspflichtverletzung: Differenzierender Ansatz

     bb)Nicht differenzierender Ansatz und Kritik

     cc)Generelle Kritik am Erfordernis des Schutzzweckzusammenhangs und Auseinandersetzung mit ihr

   3.Ergebnis zu III.

  IV.Vorsatz und Irrtum

  V.Ergebnis zu D.: Strafbarkeit von Betriebsräten und Arbeitgeber wegen Begehung des bzw. Teilnahme am Grunddelikt gemäß § 266 Abs. 1 StGB

 E.Besonders schwerer Fall gemäß § 266 Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Nr. 3 StGB

  I.Wirtschaftliche Not

  II.Vorsatz hinsichtlich des Verzichts auf Kündigungsschutz

  III.Kongruenz mit der zivilrechtlichen Schadensminderungspflicht

 F.Zusammenfassung zum 2. Teil

Teil 3Konsequenzen

 A.Zusammenfassung der theoretischen Konsequenzen de lege lata

  I.Strafbarkeit von Betriebsräten und Arbeitgeber gemäß § 266 StGB bzw. §§ 266, 26 StGB

  II.Strafbarkeit der Betriebsräte gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG i.V.m. § 26 oder § 27 StGB, bzw. des Arbeitgebers gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG

  III.Keine Strafbarkeit des leitenden Angestellten gemäß § 266 Abs. 1 StGB gegenüber dem Unternehmen wegen der Vornahme einer Betriebsratsbegünstigung

 B.Praktische Konsequenzen de lege lata

  I.Beweisproblematik bei § 266 StGB und Verfahrenshindernis bei § 119 Abs. 1 Nr. 3 StGB

   1.Geheime Abstimmung

   2.Antragsdelikt mit Antragsberechtigung in den Händen der potentiellen Täter

  II.Ergebnis zu B.

 C.De lege ferenda

  I.Status quo und mögliche Ansatzpunkte für Änderungen

  II.Materielle Änderungen

   1.Erweiterung der Strafbarkeit von Betriebsräten auch auf Missbrauch von anderen Arbeitnehmermitbestimmungsrechten?

   2.Erweiterung von § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG auf Bestechung und Bestechlichkeit, ggf. im Gegenzug zur Abschaffung des Ehrenamtsprinzips?

  III.Formale Änderungsvorschläge

   1.Erweiterung der Antragsberechtigung gemäß § 119 Abs. 2 BetrVG auf einzelne Betriebsratsmitglieder und Arbeitnehmer

   2.Gewährleistung der Nachvollziehbarkeit des Abstimmverhaltens

  IV.Ergebnis zu C. und abschließende Würdigung

Teil 4Zusammenfassung in Thesen

 Literaturverzeichnis

 Stichwortverzeichnis

Teil 1 Das Verhältnis Arbeitnehmer – Betriebsrat: Ein strafrechtsfreier Raum?

Inhaltsverzeichnis

A.Einführung in die Problematik und Ausblick auf den Gang der Untersuchung

B.Autonomie der Betriebsverfassung contra Strafverantwortung des Staates

C.Ausschluss staatlicher Strafverantwortung wegen ausreichender Ahndungs- und Kontrollmechanismen des Betriebsverfassungsrechts?

D.Ausschluss von Strafe als Ultima Ratio aufgrund unrechtskompensierender zivilrechtlicher Haftung?

E.Zusammenfassung zum 1. Teil

Teil 1 Das Verhältnis Arbeitnehmer – Betriebsrat: Ein strafrechtsfreier Raum? › A. Einführung in die Problematik und Ausblick auf den Gang der Untersuchung

A. Einführung in die Problematik und Ausblick auf den Gang der Untersuchung

1

Die Frage, ob Betriebsratsmitglieder sich wegen Untreue strafbar machen können, wenn sie Mitwirkungsrechte zu Lasten von Arbeitnehmern nicht oder unsachgemäß wahrnehmen, wird in Literatur und Rechtspraxis kaum jemals gestellt.[1]

2

Als Erster und lange Zeit Einziger hat sich Thomas Lobinger in seinem Vortrag[2] anlässlich des 5. Ludwigsburger Rechtsgesprächs des Zentrums für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht (ZAAR) ausführlich mit dieser Problematik beschäftigt. Er kommt zu dem Schluss, dass der Betriebsrat in bestimmten Konstellationen dem Arbeitnehmer gegenüber vermögensbetreuungspflichtig ist und sich seine Mitglieder daher u.U. wegen Untreue gegenüber Arbeitnehmern strafbar machen können. In jüngster Zeit hat sich auch Zoglmann mit den Thesen Lobingers befasst und kommt seinerseits zu dem Ergebnis, dass eine Untreuestrafbarkeit von Betriebsräten wegen Pflichtverletzungen gegenüber Arbeitnehmern jedenfalls in evidenten Fällen nicht ausgeschlossen sei.[3]

3

Auf die vielfach wohl als geradezu abwegig empfundene Sichtweise Lobingers geht in der Literatur allein Perron ein, der eine Vermögensbetreuungspflicht des Betriebsrats gegenüber Arbeitnehmern aber rundheraus ablehnt.[4]

4

In dieser so kontrovers beurteilten Frage eine Klärung herbeizuführen ist nicht nur von theoretischem Interesse. Vielmehr wäre, sollte Lobinger und Zoglmann am Ende zuzustimmen sein, damit ein Weg eröffnet, Betriebsratsmitglieder auch mit Mitteln des allgemeinen Strafrechts zur pflichtgemäßen Interessenvertretung von Arbeitnehmern anzuhalten. Wenngleich hier unbedingt der Versuchung widerstanden werden muss, die Untreue gemäß § 266 StGB überzustrapazieren in dem Bestreben, auch die geringste Pflichtwidrigkeit einer strafrechtlichen Ahndung zuzuführen, so muss sie jedenfalls da in Betracht gezogen werden, wo mit Verstößen gegen das Korruptionsverbot Zentralnormen der privatautonomen Rechtsordnung verletzt werden.[5] Gerade das Betriebsverfassungsrecht ist keineswegs gegen Korruptionsgefahren gefeit. Denn obwohl laut Gesetzgeber der Betriebsrat das Vertretungsorgan der Arbeitnehmerschaft eines Betriebes darstellt, der als ihr Fürsprecher und Garant der Wahrnehmung ihrer Rechte fungieren soll,[6] besteht die reale Gefahr, dass es in der Betriebspraxis zu einer Entfremdung der Arbeitnehmer von ihrem Vertretungsorgan und zu dessen Annäherung an die andere Seite, den Arbeitgeber, kommt. Gründe hierfür sind in der eher egoistisch denn altruistisch angelegten menschlichen Natur zu suchen. Während ein Eintreten des Betriebsrats für die Arbeitnehmer eines Betriebs eine weitgehend altruistische Angelegenheit ist, haben Arbeitgeber und Betriebsrat einander mehr zu bieten. Da nämlich Maßnahmen, die dem Arbeitgeber nutzen und dem Arbeitnehmer schaden, häufig Einvernehmen mit dem Betriebsrat voraussetzen oder hierdurch mindestens erleichtert werden, steigt die Motivation der Arbeitgeberseite, sich die Kooperationsbereitschaft des Betriebsrats zu erhalten. Nach dem Prinzip des „Manus manum lavat“ kann es daher vorkommen, dass Betriebsratsmitglieder auf entsprechende Anreize hin die Interessen des Arbeitgebers über diejenigen der von ihnen vertretenen Arbeitnehmer stellen, und dies völlig unbemerkt von der Betriebsöffentlichkeit.[7] Vielfach hegen daher Arbeitnehmer den Verdacht, ihr Betriebsrat stehe weniger auf ihrer, als vielmehr auf der Seite des Arbeitgebers.[8] Auch in der arbeitsgerichtlichen Praxis ist im Rahmen von Kündigungsschutzverfahren bereits festgestellt worden, dass der Betriebsrat Arbeitnehmer seines Betriebs durch den pflichtwidrigen Gebrauch von Mitwirkungsrechten bewusst benachteiligt und damit Kündigungen des Arbeitgebers den Weg geebnet hatte.

Teil 1 Das Verhältnis Arbeitnehmer – Betriebsrat: Ein strafrechtsfreier Raum? › A. Einführung in die Problematik und Ausblick auf den Gang der Untersuchung › I. Arbeitsgerichtliche Realität

I. Arbeitsgerichtliche Realität

5

Hierzu seien beispielhaft zwei arbeitsgerichtliche Entscheidungen erwähnt. In beiden Fällen hatte der Betriebsrat anlässlich einer geplanten Betriebsänderung mit dem Arbeitgeber Vereinbarungen gemäß § 112 BetrVG[9] abgeschlossen, die die Modalitäten der Betriebsänderung mitgestalten sollten (sog. Interessenausgleich).

1. Urteil des LAG Köln 2004

6

Im Jahr 2004 hatte das Landesarbeitsgericht Köln[10] in zweiter Instanz[11] im Rahmen einer Kündigungsschutzklage folgenden Sachverhalt zu beurteilen: Der Betriebsrat eines größeren Unternehmens, das einer hohen Anzahl von Mitarbeitern kündigen wollte, hatte den Abschluss eines Interessenausgleichs, der die bei geplanten Kündigungen für gewöhnlich notwendige Betriebsratsanhörung ersetzt, davon abhängig gemacht, dass bestimmte Mitarbeiter (und zwar die, die der „richtigen Gewerkschaft“ angehörten) von der sogenannten Namensliste gemäß § 1 Abs. 5 KSchG[12] gestrichen und damit nicht gekündigt werden sollten. Die Arbeitgeberseite war darauf eingegangen und hatte den übrigen Arbeitnehmern unter Berufung auf den Interessenausgleich gekündigt. Sich auf einer solchen Namensliste wiederzufinden, bedeutet für den gekündigten Arbeitnehmer in einem möglichen Kündigungsschutzprozess erhebliche Nachteile: So besteht in diesem Fall gemäß § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG die gesetzliche Vermutung, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. Zudem kann die soziale Auswahl gerichtlich nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden, § 1 Abs. 5 S. 2 KSchG.

7

Das LAG Köln hat hier entschieden, dass der Betriebsrat mit diesem Verhalten gegen seine Pflichten aus § 75 Abs. 1 BetrVG verstoßen hatte. Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von im Betrieb tätigen Personen aus Gründen u.a. ihrer gewerkschaftlichen Betätigung unterbleibt. Den Verstoß gegen § 75 Abs. 1 BetrVG hat das LAG Köln als Verletzung eines Verbotsgesetzes i.S.d. § 134 BGB behandelt und damit den gesamten Interessenausgleich für nichtig erklärt. Damit waren alle Kündigungen der vom Interessenausgleich betroffenen Arbeitnehmer mangels Anhörung des Betriebsrats, die durch den (nunmehr nichtigen) Interessenausgleich ersetzt worden war, unwirksam geworden.[13]

2. Urteil des LAG Sachsen 2008

8

Anders hat das Sächsische Landesarbeitsgericht[14] im Jahr 2008 einen ähnlich gelagerten Sachverhalt bewertet: Einzelne Mitglieder des Betriebsrats hatten einem Interessenausgleich inklusive Namensliste gemäß § 1 Abs. 5 KSchG im Zusammenhang mit einer Massenkündigung nur unter der Bedingung zustimmen wollen, dass ihre eigene künftige Stelle mit einer höherwertig klingenden Bezeichnung versehen wurde, damit ihre Chancen bei potentiellen Bewerbungen sich dadurch erhöhten. Dies sagte die Arbeitgeberseite zu unter der Voraussetzung, dass diese Betriebsratsmitglieder ihren Widerstand gegen den Interessenausgleich aufgeben würden. Hierauf ging der Betriebsrat ein, die Kündigungen der auf der Namensliste aufgeführten Arbeitnehmer wurden ausgesprochen. Das LAG Sachsen hat darin zwar eine verbotene Begünstigung der Betriebsratsmitglieder gemäß § 78 S. 2 BetrVG gesehen, die das Grundgeschäft (die Begünstigung) vernichte. Gleichwohl habe dies aber nicht die Nichtigkeit des Interessenausgleichs als solchen zur Folge. Denn die Begünstigungsvereinbarung wirke nur zwischen dem Arbeitgeber und den einzelnen begünstigten Betriebsratsmitgliedern, erfasse aber nicht auch den zwischen Arbeitgeber und dem Betriebsrat als Gremium vereinbarten Interessenausgleich. Dabei stützt sich das Gericht darauf, dass der Inhalt des Interessenausgleichs nicht beeinflusst worden sei, da die vom Betriebsrat gestellte Bedingung keinen Eingang in den Interessenausgleichsvertrag gefunden habe. Dass diesem aber nur aufgrund der vorher ausgehandelten Begünstigung einiger seiner Mitglieder überhaupt vom Betriebsrat zugestimmt wurde, berücksichtigt das Gericht nicht. Die Kündigungsschutzklage wurde abgewiesen.[15]

Teil 1 Das Verhältnis Arbeitnehmer – Betriebsrat: Ein strafrechtsfreier Raum? › A. Einführung in die Problematik und Ausblick auf den Gang der Untersuchung › II. Strafrechtliche Annäherung

II. Strafrechtliche Annäherung

9

Während im ersten Fall aufgrund der Kündigungsschutzklage ein Arbeitsplatzverlust gerade noch abgewendet werden konnte, bedeutet die Bestätigung der Kündigungen im zweiten Fall eine erhebliche existenzielle Problematik mindestens für einige der gekündigten Arbeitnehmer.

10

Hierfür maßgeblich verantwortlich war mit dem Betriebsrat ein arbeitnehmernahes Organ der Betriebsverfassung, dessen Mitglieder nach den Feststellungen des Gerichts ihr Amt verbotenerweise zur Besserstellung von Gewerkschaftskollegen, bzw. zu ihrer eigenen Besserstellung benutzt haben.

11

Unbefangen betrachtet liegt es in solchen Fällen nahe, einen Vermögensschaden der gekündigten Arbeitnehmer anzunehmen, der maßgeblich durch einen Verstoß des Betriebsrats gegen gesetzliche Vorschriften entstanden ist. In derartigen Konstellationen, wo die Pflichtverletzung eines zu fremdnützigem Verhalten Verpflichteten[16] einen Vermögensverlust desjenigen zur Folge hat, der von der verletzten Pflicht eigentlich profitieren sollte, drängt sich im Regelfall die Prüfung nicht nur zivilrechtlicher,[17] sondern auch strafrechtlicher Konsequenzen, namentlich die Prüfung des Untreuetatbestandes gemäß § 266 Abs. 1 StGB,[18] auf. Aber in den entschiedenen Fällen haben sich weder Schadensersatzklagen von benachteiligten Arbeitnehmern, noch gar staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren angeschlossen.

12

Den Unbefangenen mag es erstaunen, dass Vorgänge wie die geschilderten außerhalb der arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzklageverfahren, im Rahmen derer sie offenbar geworden sind, bisher ohne Bedeutung in der strafgerichtlichen Praxis geblieben sind und auch, dass selbst das strafrechtliche Schrifttum sich zur Frage einer möglichen Strafbarkeit von Betriebsräten wegen arbeitnehmerschädlichen Verhaltens weitgehend einhellig zurückhält.

13

Der Grund dafür ist unter anderem im besonderen Charakter des hier betroffenen Arbeitsstrafrechts als Teilgebiet des Wirtschaftsstrafrechts[19] zu suchen. Das klassische Arbeitsstrafrecht dient vorrangig dem Arbeitnehmerschutz: Arbeitgeber und ihre verantwortlichen Führungskräfte machen sich strafbar, wenn sie die Einhaltung von Arbeitsschutzvorschriften nicht gewährleisten.[20] Auch wenn im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz auch Delikte von Seiten des Arbeitnehmers vorkommen, so findet Arbeitsstrafrecht im Wesentlichen im Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem einzelnen Arbeitnehmer statt. Die Kollektivmächte wie Gewerkschaften oder Belegschaftsvertretungen stehen hier üblicherweise außen vor, da ein Bedürfnis für die Anlegung strafrechtlicher Maßstäbe überwiegend nicht gesehen wird. Vielmehr herrscht häufig die Auffassung, das kollektive Arbeitsrecht sei ein weitgehend rechtsfreier Raum, in welchem zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat alles „gedealt“ werden kann und alles frei verhandelbar ist.[21] Jede Einflussnahme von außen soll deswegen tunlichst unterbleiben, selbst wenn sie lediglich in der Mahnung der Verhandlungspartner zur Rechtstreue besteht. Diese Haltung wird von Seiten des Gesetzgebers durchaus gestützt, denn Möglichkeiten zur Kontrolle der Rechtstreue des Betriebsrats oder gar effektive Sanktionen für Rechtsverstöße des Betriebsrats sucht man in der Betriebsverfassung vergeblich, wie später ausführlich gezeigt werden wird.

14

Dass die Unwahrscheinlichkeit einer Sanktion die Wahrscheinlichkeit eines Fehlverhaltens steigen lässt, wie Preis in diesem Zusammenhang unwidersprochen feststellt,[22] wird im Hinblick auf die absolute Autonomie der Betriebsparteien offenbar in Kauf genommen.

15

Ihre Grenze scheint diese absolute Autonomie der Betriebsparteien allerdings in neuerer Zeit zunehmend dann zu finden, wenn das Unternehmen selbst in erheblichem Umfang geschädigt wird. Unter Rückgriff auf die allgemeinen klassischen Wirtschaftsstraftatbestände, und hier insbesondere die Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB, wurden in jüngerer Zeit durchaus auch Arbeitnehmervertreter strafrechtlich verfolgt und mitunter auch verurteilt.[23] Dabei ist allerdings darauf hinzuweisen, dass hier stets allein die Vorsitzenden der Arbeitnehmervertretungen zur Verantwortung gezogen worden sind, und zwar für ein Verhalten, das auch ausschließlich ihnen selbst einen Vorteil verschaffte, während die übrigen Mitglieder des Betriebsrats keinerlei strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt waren.

16

Eine demgegenüber nochmals verschärfte strafrechtliche Intervention würde es daher bedeuten, wenn die Betriebsratsmitglieder selbst als Teile eines Gremiums für einen rechtswidrigen arbeitnehmerschädlichen Beschluss einzustehen hätten. Für eine solche strafrechtliche „Einmischung“ im Fall des durch seinen eigenen Betriebsrat geschädigten Arbeitnehmers wird ganz überwiegend kein Anlass gesehen. Sich strafrechtlich zwischen den Arbeitnehmer und „seinen Betriebsrat“ zu stellen, bedeutet nach wie vor ein Tabu, das zu brechen angesichts der hier vergleichsweise eher unspektakulären Schäden auch nicht als lohnend angesehen wird. Es stellt sich jedoch die Frage, ob diese Zurückhaltung angesichts der Arbeitswirklichkeit noch immer ihre Berechtigung hat. Heute sind Koppelungsgeschäfte des Betriebsrats mit dem Arbeitgeber keine Seltenheit,[24] und ebenfalls nicht selten ist es, dass diese Koppelungsgeschäfte auf Kosten der Arbeitnehmer abgeschlossen werden, die in Ermangelung entsprechender Offenlegungsvorschriften häufig noch nicht einmal Kenntnis davon erhalten.

17

Volker Rieble[25] und Thomas Lobinger[26] forderten daher in ihren Vorträgen anlässlich der 5. Ludwigsburger Rechtsgespräche des Zentrums für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht (ZAAR) die Gewährleistungsverantwortung des Staates zum Schutz der Arbeitnehmer ein und hier insbesondere die Anwendung des § 266 StGB. Die zu erwartenden kritischen Wortmeldungen, die insbesondere Lobinger zu parieren hatte, bezogen sich im Wesentlichen darauf, dass die Autonomie der Betriebspartner im kollektiven Arbeitsrecht die strafrechtliche Einmischung des Staates bereits im Ansatz verbiete,[27] dass sie darüber hinaus auch unnötig sei, da betriebsverfassungsrechtliche Ahndungsmechanismen ausreichten,[28] und zuletzt, dass ohnehin eine Untreuestrafbarkeit des Betriebsrats zu Lasten von Arbeitnehmern schon aus rechtlichen Gründen gar nicht in Betracht komme[29].

Teil 1 Das Verhältnis Arbeitnehmer – Betriebsrat: Ein strafrechtsfreier Raum? › A. Einführung in die Problematik und Ausblick auf den Gang der Untersuchung › III. Gang der Untersuchung

III. Gang der Untersuchung

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Die Berechtigung dieser Argumente möchte ich nachfolgend näher untersuchen.

19

Im weiteren Verlauf des ersten Teils werde ich unter B. also die Konzeption des Betriebsverfassungsrechts unter der Fragestellung betrachten, ob sie tatsächlich geeignet ist, den Staat von seiner Strafverantwortung selbst bei vorsätzlicher Schädigung eines Arbeitnehmers generell zu entbinden mit der Folge, dass damit bereits jede nähere strafrechtliche Befassung mit potentiell arbeitnehmerschädlichem Betriebsratsverhalten im Keim zu ersticken wäre.

20

Daran anschließend möchte ich unter C. das zweite genannte Argument, betriebsverfassungsrechtliche oder andere, z.B. zivilrechtliche, Ahndungsmechanismen verböten die Anwendung von Strafrecht als Ultima Ratio, näher beleuchten.

21

Der darauf folgende zweite Teil widmet sich der strafrechtlichen Untersuchung des Betriebsratsverhaltens im Hinblick auf den Untreuevorwurf gemäß § 266 StGB. Die Frage einer Vermögensbetreuungspflicht des Betriebsrats zugunsten der Arbeitnehmer wird hier im Vordergrund stehen. Dabei wird zunächst der Betriebsrat der Einfachheit halber als Kollektiv behandelt, obwohl eine strafrechtliche Ahndung selbstverständlich nur das einzelne Betriebsratsmitglied betreffen könnte. Bei der später unverzichtbaren Konkretisierung auf die strafrechtliche Verantwortung des einzelnen Betriebsratsmitglieds wird auch die Problematik des einzelnen Tatbeitrags innerhalb von Gremienentscheidungen zu behandeln sein.

22

Im dritten Teil sollen kriminalpolitische Überlegungen angestellt werden. Dabei werde ich prüfen, ob es zur Korruptionsbekämpfung angeraten sein könnte, bestimmte gesetzliche Modifikationen im Betriebsverfassungsgesetz vorzunehmen, bevor im vierten und letzten Teil die gewonnen Erkenntnisse thesenartig zusammengefasst werden.

Anmerkungen

[1]

Anders sieht dies aus bei der Frage nach einer Strafbarkeit von Betriebsratsmitgliedern zum Nachteil des Arbeitgebers. Dieser Untersuchungsansatz wird in der Literatur durchaus häufiger verfolgt, vgl. etwa Achenbach Zur Strafbarkeit von Betriebsratsmitgliedern, Einl. S. 2.

[2]

Lobinger Arbeitsstrafrecht im Umbruch, S. 99 ff.

[3]

Zoglmann Rechtspflichten der Betriebsräte, S. 203, 204, 210. Wann ein Pflichtverstoß evident ist, präzisiert er jedoch nicht näher.

[4]

Schönke/Schröder-Perron § 266 Rn. 26. Reaktionen aus der Literatur auf Zoglmanns Ausführungen lagen bei Drucklegung noch nicht vor.

[5]

Vogel Diskussionsbeitrag zum Vortrag Rieble, Arbeitsstrafrecht im Umbruch, S. 17, 44, sieht die Notwendigkeit, das Korruptionsverbot auch im Arbeitsrecht mit strafrechtlichen Mitteln zu schützen. § 266 StGB sei dafür neben § 119 BetrVG derzeit allerdings nur ein Behelf.

[6]

So die Begründung des Gesetzesentwurfs zum Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt 2004, BT-Drucks. 12/2443, S. 149.

[7]

U. Fischer BB 2007, 997, 998.

[8]

Rüthers NJW 2007, 195, 197.

[9]

Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.9.2001, zuletzt geändert durch Art. 3 Abs. 4 G zur Umsetzung des Seearbeitsübereinkommens 2006 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 20.4.2013 (BGBl. I, 868).

[10]

LAG Köln Urteil vom 29.7.2004, Az.: 5 Sa 63/04.

[11]

Vorgehend und im Ergebnis gleichlautend: ArbG Köln Urteil vom 5.11.2003, Az.: 10 Ca 5654/03.

[12]

Kündigungsschutzgesetz (KSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.8.1969, zuletzt geändert durch Art. 3 Abs. 2 G zur Umsetzung des Seearbeitsübereinkommens 2006 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 20.4.2013 (BGBl. I, 868).

[13]

Gegen die Ersetzung der Anhörung durch die Namensliste: Gaul BB 2004, 2686, 2691.

[14]

LAG Sachsen Urteil vom 27.8.2008, Az.: 2 Sa 752/07; vorgehend ArbG Bautzen Urteil vom 26.2.2007, Az.: 3 Ca 3245/07.

[15]

Rieble Arbeitsstrafrecht im Umbruch, S. 17, 38, sieht die Arbeitnehmer hier „verraten und verkauft“ und fordert ihren strafrechtlichen Schutz. Anderenfalls seien sie vom Staat „im Stich gelassen“.

[16]

Belling Haftung des Betriebsrats, S. 65, 68.

[17]

Wie von Belling Haftung des Betriebsrats, S. 70, nachdrücklich befürwortet.

[18]

Strafgesetzbuch (StGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.11.1998, zuletzt geändert durch Art. 1 49. StrafrechtsänderungsG vom 21.1.2015 (BGBl. I, 10).

[19]

Zur begrifflichen Einordnung Brüssow/Petri Rn. 2.

[20]

Rieble/Giesen/Junker Arbeitsstrafrecht im Umbruch, Vorwort, S. 5.

[21]

Rieble/Giesen/Junker Arbeitsstrafrecht im Umbruch, Vorwort, S. 5.

[22]

Preis RdA 2003, 65, 75.

[23]

So wurde der Gesamt- und Konzernbetriebsratsvorsitzende der VW AG Volkert wegen Beihilfe zu einer ihn begünstigenden Untreue des Arbeitsdirektors Hartz verurteilt (zunächst LG Braunschweig Urteil vom 25.1.2007, AZ.: 6 KLs 48/06, im Wesentlichen bestätigt durch BGH Urteil vom 17.9.2009, Az.: 5 StR 521/08, NJW 2010, 92 ff.). Der Vorsitzende der im Betriebsrat der Siemens-AG vertretenen Aktionsgemeinschaft unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB) Schelsky wurde wegen Beihilfe zur Untreue erstinstanzlich vom LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 24.11.2008, Az.: 3 KLs 501 Js 1777/2008) verurteilt, was vor dem BGH jedoch aufgrund des seiner Ansicht nach fehlenden vermögensschützenden Charakters des verletzten § 119 BetrVG keinen Bestand hatte (BGH Beschluss vom 13.9.2010, Az.: 1 StR 220/09, NStZ 2011, 37 ff.).

[24]

Rieble Arbeitsstrafrecht im Umbruch, S. 17, 48.

[25]

Rieble Arbeitsstrafrecht im Umbruch, S. 17 ff.

[26]

Lobinger Arbeitsstrafrecht im Umbruch, S. 99 ff.

[27]

Mayer Arbeitsstrafrecht im Umbruch, Diskussionsbeitrag zum Vortrag Rieble S. 17, 46; Ostrop ebda. S. 17, 47, Krebber Diskussionsbeitrag zum Vortrag Lobinger S. 99, 134.

[28]

Clemenz Arbeitsstrafrecht im Umbruch, Diskussionsbeitrag zum Vortrag Lobinger S. 99, 130 f., 132; Bauer ebda., S. 99, 133; Krebber ebda., S. 99, 134.

[29]

Bauer Arbeitsstrafrecht im Umbruch, Diskussionsbeitrag zum Vortrag Lobinger 99, 126; Clemenz ebda., S. 99, 133; Bauer ebda., 99, 133.

Teil 1 Das Verhältnis Arbeitnehmer – Betriebsrat: Ein strafrechtsfreier Raum? › B. Autonomie der Betriebsverfassung contra Strafverantwortung des Staates

B. Autonomie der Betriebsverfassung contra Strafverantwortung des Staates

23

Verbietet nun die besondere Materie des kollektiven Arbeitsrechts die Anlegung allgemeiner strafrechtlicher Maßstäbe mit der Folge, dass sich diese beiden Rechtsbereiche ihrer Natur nach gegenseitig regelrecht ausschließen können? Eine besondere Regelung, die das Betriebsratsmitglied in Ausübung seines Amtes rechtlich verantwortungsfrei stellen würde, vergleichbar mit parlamentarischen Immunitätsvorschriften, existiert jedenfalls nicht.[1] Ist daher die Forderung, das allgemeine Strafrecht generell aus dem kollektiven Arbeitsrecht auszuklammern in dieser Form überhaupt zulässig?

Teil 1 Das Verhältnis Arbeitnehmer – Betriebsrat: Ein strafrechtsfreier Raum? › B. Autonomie der Betriebsverfassung contra Strafverantwortung des Staates › I. Einordnung der Problematik unter das Verhältnis von Legalitäts- und Opportunitätsprinzip

I. Einordnung der Problematik unter das Verhältnis von Legalitäts- und Opportunitätsprinzip

24

Der Wunsch, das Strafrecht generell aus den Betrieben herauszuhalten,[2] ist zunächst einmal nur das: Ein Wunsch. Er mag letztlich pragmatisch sein, doch übersieht derjenige, der ihn äußert, mit dem Legalitätsprinzip gemäß § 152 Abs. 2 StPO[3] eine wichtige Säule unseres Rechtssystems.[4] Danach ist die Staatsanwaltschaft grundsätzlich verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Nur indem man es gerade nicht dem Belieben der Staatsanwaltschaft überlässt, ob und gegen welchen einer Straftat Verdächtigen sie vorgehen möchte, kann ihr Anklagemonopol gemäß § 152 Abs. 1 StPO gerechtfertigt und dem Willkürverbot als allgemeinem Rechtsgrundsatz des Grundgesetzes ausreichend Rechnung getragen werden.[5] Daher können grundsätzlich weder Privatpersonen untereinander, noch Dritte für jene bestimmen, dass aus ihrem speziellen Verhältnis das Strafrecht auszuklammern sei. Am Anfang jeder praktischen strafrechtlichen Befassung mit einem Sachverhalt steht daher stets die Prüfung eines Anfangsverdachts, also der Frage, ob gemäß § 152 Abs. 2 StPO zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Begehung einer Straftat vorliegen. Dabei hat die Staatsanwaltschaft zwar einen gewissen Beurteilungsspielraum, aber kein Ermessen.[6] Sofern also der ihr bekannt gewordene Sachverhalt rechtlich den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt und keine offenkundigen Rechtfertigungsgründe vorliegen, wird grundsätzlich der Verfolgungszwang ausgelöst.[7]

25

Bereits die Prüfung eines solchen Anfangsverdachts unterbinden zu wollen, indem das Handeln der Betriebsratsmitglieder im Rahmen der ihnen zustehenden Mitwirkungsrechte schlankweg jeder strafrechtlichen Prüfung entzogen werden soll, widerspricht also bei Licht besehen dem Legalitätsgrundsatz.

26

Andererseits wünscht unsere Rechtsordnung keine Strafverfolgung um jeden Preis.[8] Sie sieht in bestimmten Konstellationen den Erhalt des Rechtsfriedens als höherwertig an, was zum Beispiel an der Existenz von Zeugnisverweigerungsrechten und Beweisverwertungsverboten zu ersehen ist.[9] Auch das Bundesverfassungsgericht hat hierzu festgestellt, dass die Rücksicht auf andere soziale Interessen und der Schutz anderer Gemeinschaftsgüter der Durchführung eines Strafverfahrens entgegenstehen können.[10] Insbesondere dann, wenn der für die Strafverfolgung zu betreibende Aufwand in keinem Verhältnis zum erstrebten Zweck in Form von Ahndung, Spezial- und Generalprävention mehr steht, also der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz berührt wird, kommt mit dem Opportunitätsprinzip gemäß § 152 Abs. 2 StPO ein Gegengewicht zum Legalitätsgrundsatz zum Tragen.[11] Das Opportunitätsprinzip erfasst alle Ausnahmen vom Legalitätsgrundsatz.[12] Diese müssen allerdings gesetzlich festgelegt sein, denn § 152 Abs. 2 StPO formuliert ausdrücklich „soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist“. Der insoweit abschließende Katalog an Ausnahmen gemäß §§ 153 bis 154e, 376 i.V.m. 374 StPO und § 45 JGG gibt der Staatsanwaltschaft daher kein Wahlrecht zwischen Verfolgung und Nichtverfolgung, sondern verlangt die Subsumtion unter die jeweiligen Ausnahmetatbestände und setzt somit Rechtsanwendung voraus.[13]

27

Wenngleich zwar zunächst ein Anfangsverdacht zu prüfen wäre, bevor überhaupt Einschränkungen der Verfolgungspflicht zum Tragen kommen könnten,[14] so soll in dieser Arbeit dennoch kein unnötiger Aufwand getrieben werden: Wenn bereits aufgrund der Argumente der Strafrechtsgegner feststände, dass eine Strafverfolgung von Betriebsratsmitgliedern wegen Untreue im Rahmen der pflichtwidrigen Ausübung von Mitwirkungsrechten ohnehin unangemessen wäre, so mag die Prüfung an dieser Stelle beendet werden.

28

Da nun die Unangemessenheit von Strafverfolgung nach den Vorgaben des Opportunitätsprinzips zu beurteilen ist, bieten sich die Einstellungsvoraussetzungen gemäß § 153 Abs. 1 StPO als Prüfungsmaßstab für die Berechtigung der gegen eine Strafverfolgung vorgebrachten Argumente an. Diese Vorschrift, deren Anwendung allein auf Vergehen in Betracht kommt, setzt voraus, dass bei potentiell geringer Schuld des Täters kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht. Während die potentiell geringe Schuld im Rahmen des gesamten Tatbilds und der begleitenden Umstände zu beurteilen ist,[15] ist für das mangelnde öffentliche Interesse an der Strafverfolgung insbesondere darauf abzustellen, ob die Allgemeinheit ein Interesse an der Verfolgung aus Gründen der Spezial- oder Generalprävention hat.[16] Die Argumente der Strafrechtsgegner betreffen letztlich beides. Für sie ist die Eigenschaft als Betriebsratsmitglied grundsätzlich nicht kompatibel mit der Täterrolle des Strafgesetzbuchs und ohnehin die gesamte Materie weniger eine Angelegenheit der Allgemeinheit, als vielmehr eine betriebsinterne, die auch allein im betrieblichen Kontext zu verbleiben habe.[17]