Inhalt

Titel

1. Meine Droge ist … der Schreibrausch!

2. Was ist eigentlich ein Schreibrausch?

3. Wie fange ich an?

4. Was sage ich meinem Partner? Meiner Familie? Meinen Freunden?

5. Wo schreibst Du?

6. Wie fühlt sich Dein Flow an?

7. Wie stimmst Du Dich ein?

8. Welche Erlaubnis fehlt Dir noch?

9. Wie erholst Du Dich?

10. Meistertipps:

Tintenklecksbilder & Creative Lifestyle

Der Flow-Walk

Intuitionstraining

Klartraum: Schreib Dein Buch im Schlaf

Eine neue Sicht auf Disziplin

11. Schreibwettkampf

Register

Impressum

Ich bin elektrisiert.

Ich habe das Gefühl,

Teil von etwas Großem zu sein.

Ich inspiriere die Welt.

Ich schreibe Geschichte.

Die Wörter sprudeln aus mir heraus.

Im meinem Kopf gibt es eine große Party, ein Feuerwerk an Ideen.

Meine Texte sind wichtig und bedeutsam.

Ich bin voll bei mir, fokussiert und eins mit dem Text.

Ich schreibe mich frei.

Ich spüre die Magie.

Alles ist gut.

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Meine Droge ist ...
der Schreibrausch!

Vor 21 Jahren hatte ich meinen ersten Schreibrausch! Ich erinnere mich noch so deutlich daran, als wäre es gestern. Er dauerte die ganze Nacht. Ich hatte mir vom Hausmeister des Studentenwohnheims den Schlüssel für den PC-Raum besorgt, mich abends dort eingeschlossen und einfach drauf los geschrieben («frei Schnauze»). Psychologie im Schießsport – ein praktisches Trainingshandbuch zur mentalen Vorbereitung für Sportschützen. 10 Stunden später war die Rohfassung des Manuskriptes fertig. Erst mit Sonnenaufgang gegen 6 Uhr in der Früh wurde mir bewusst, was gerade passiert war: Ich hatte einen Schreibrausch!

Die Kapitel bauten sich Satz für Satz auf, fast automatisch. Ich sah mich selbst vor meinem geistigen Auge Vorträge zu diesem Thema halten und übertrug einfach die Struktur und den Inhalt des Vortrages ins Buch. Die Wörter sprudelten nur so aus mir heraus. Ich war wie elektrisiert. Das Zeitgefühl hatte ich komplett verloren. Am Ende war ich müde, erschöpft und überglücklich. Gänsehautstimmung.

Natürlich brauchte es im Anschluss noch ein paar Wochen Optimierung und Feintuning. Aber die Hauptarbeit fand während dieser einen Nacht im September 1996 statt, im Flow.

Inzwischen sind mehr als 30 Bücher hinzugekommen, Selbsthilfe-Ratgeber und Sachbücher. Sogar ein Lexikon ist dabei, das «Lexikon der Mentaltechniken», 6 Jahre Schreibarbeit – herausgekommen ist die weltweit größte Sammlung an Mentaltechniken, die in mehrere Sprachen übersetzt worden ist. Eine Zitate-Sammlung, «Zitate für Sportler», veröffentlicht im Jahre 2006. Und ein «Tintenklecks-Buch», wo Tintenkleckse als Kreativtechnik genutzt werden, um auf neue Ideen zu kommen. Schon Christian Morgenstern hat Tintenklecksbilder zur Inspiration gekannt und auch der französische Schriftsteller Victor Hugo, der Autor des weltberühmten Romans «Der Glöckner von Notre Dame» schwörte auf Tintenkleckse, um in den Flow zu kommen. Keine Angst, Du musst nicht selbst Tintenklecksbilder malen … – allein das Anschauen so einer chaotischen und dennoch symmetrischen Form reicht schon für einen Kreativ-Booster. Dazu später mehr.

Mein ungewöhnlichstes Projekt: Die Serie «100 Verdammt gute Fragen». Die Bücher dieser Serie stellen 100 Fragen zu einem bestimmten Thema und lassen den Leser dann selbst auf die Antwort kommen! Das war für mich als Ratgeber-Autor ein richtiger Game Changer. Statt «Rat zu geben», stelle ich «einfach nur» gute Fragen, denn die Antworten trägt jeder bereits in sich. Unser Unterbewusstsein ist so genial, es reicht der richtige Impuls und schon läuft es. Beim Schreiben dieser Fragen-Bücher war ich oft im Flow, das kannst Du mir glauben.

An belletristische Genres habe ich mich (noch) nicht herangetraut, wobei der Trend bei Ratgebern und Sachbüchern durchaus in diese Richtung geht, also belletristische Elemente einzusetzen, z. B. einen Spannungsbogen, einen Protagonisten, durch den der Leser alles miterlebt (Lernen aus Erfahrung), die Heldenreise, Metaphern und Sprachbilder für komplexe Zusammenhänge. Auch ein Ratgeber muss heutzutage so spannend erzählen wie ein Thriller und so unterhaltsam sein wie Comedy, also die Emotionen der Leser ansprechen und erst dadurch echte Veränderungskraft erhalten.

Egal aus welcher Richtung Du kommst, wenn Du besser schreiben möchtest, brauchst Du neben dem fachlichen Handwerk (das ist nicht Thema dieses Handbuches hier), vor allem die Fähigkeit, Dich selbst in den Flow-Zustand zu versetzen. Denn in diesem Zustand sind Deine Texte die besten, die Du schreiben kannst.

Dieses Coaching in Buchform richtet sich an alle, die schreiben. Sei es im privaten Bereich: Die eigenen Gedanken aufschreiben, eine emotionale Rede für eine Hochzeit formulieren, für Texte im Business-Kontext: treffend formulierte E-Mails mit Inspirationskraft, Manuskripte für Ansprachen und Präsentationen, bis hin zum Schreib-Profi, also Texter, Blogger, Redakteure, Songwriter und Autoren von Sachbüchern, Kurzgeschichten und Romanen, Thriller, Science-Fiction, Fantasy … Was schreibst Du?

Wobei Profis dieses geniale Gefühl eines Schreibrausches bestimmt schon selbst häufig erlebt haben: Du vergisst alles um Dich herum, gehst voll in dem Moment auf und die Wörter fließen nur so aus Dir heraus. Wie automatisch und dabei hochkreativ. Hinterher fragst Du Dich: «Wie habe ich das nur geschafft?!», und bist erstaunt über Dich selbst. Es ist ein sehr sehr schönes Gefühl – der Flow-Zustand.

Das Interessante an diesem Zustand ist, dass die Leistung, die wir in diesem Zustand zeigen, sehr hoch ist. Eine persönliche Bestleistung. Geistesblitze, Kreativität, Produktivität sind charakteristisch für so einen Schreibrausch. In einer 10-Jahres-Studie von McKinsey (2014) waren es 2- bis 5-mal mehr Produktivität und bis zu 9-mal mehr Kreativität im Flow-Zustand. Wahnsinn!

Mit diesem Coaching stelle ich Dir einen Trainingsplan vor, mit dem Du beim Schreiben häufiger in den Flow kommst.

Man kann tatsächlich trainieren, diesen Zustand häufiger zu erleben – mit den richtigen Methoden! Das ist genau mein Ding als Sportwissenschaftler und Trainer: Ich bin nicht nur Autor und kenne den Schreibrausch aus eigener Erfahrung, sondern habe mich in meinem Studium (Sportwissenschaft und Psychologie) intensiv mit Trainingslehre und der Frage beschäftigt, wie das Training von Flow, Kreativität und persönlicher Bestleistung gestaltet sein muss, damit es wirkt.

Sicher gehört auch Talent dazu, um wirklich gut zu schreiben. Aber wenn ein talentierter junger Schriftsteller nicht an sich «arbeitet», verkümmert das, was ihm früher so leicht von der Hand gegangen ist. Ganz nach dem Motto «Wer rastet, der rostet». Oder etwas schärfer ausgedrückt: Was nicht wächst, stirbt! Komm in den Schreibrausch! Es gibt keine bessere legale Droge. Deine Texte sind in diesem Zustand die besten, die Du jemals geschrieben hast.

Auf den folgenden Seiten stelle ich Dir die wirksamsten Techniken hierfür vor. Wobei Du gar nicht alle davon machen musst – im Gegenteil: Such Dir nur die Methoden heraus, die Dir persönlich am besten gefallen. Ich spreche hier gern vom Methoden-Buffet. Wähle genau die Techniken, bei denen Du Interesse, Neugier, Inspiration, ja sogar Begeisterung spürst. Hey, es geht um Emotionen, und wenn sich eine Methode für Dich nach Zwang, Disziplin und Einschränkung anfühlt, nach dem Motto «DAS muss ich jetzt auch noch machen?!», funktioniert das Spiel nicht. «Wie geil, das WILL ich jetzt machen» – ist die Haltung, die Du bei Deiner Lieblingsmethode haben solltest. Eine Sog-Motivation, eine Motivation, die von innen heraus kommt. Du machst es gern! Du freust Dich richtig auf Dein neues Einstimm-Ritual. Dann hast Du Dein Erfolgsgeheimnis gefunden und wirst bessere Texte schreiben:

«Das beste Erlebnis führt zum besten Ergebnis.»

Ich wünsche Dir viel Spaß und viele
Flow-Erlebnisse auf Deiner Reise!

Michael Draksal, M.A.

Sportwissenschaftler & Trainer

www.Michael-Draksal.de

PS: Es gibt zu diesem Buch eine online-Community. Wenn Du Fragen hast oder Dich mit anderen austauschen möchtest, komm gern dazu:

www.Schreiben-im-Flow.de

 

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Was ist eigentlich ein Schreibrausch?

Der Psychologe Mihályi Csíkszentmihályi hat mit seinen Forschungen zur Spieltheorie (1975) das Flow-Phänomen bekannt gemacht. Er war nicht der erste Wissenschaftler, der diesen Rausch-Zustand untersuchte, jedoch erreichten seine Arbeiten weltweit die größte Aufmerksamkeit, mit vielen Folgestudien aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen, z. B. Flow in der Kunst, in der Musik, beim Schach, im Sport, in der Chirurgie (Operationen im Flow), im Business (im Flow verhandeln).

Charakteristisch für den Flow-Zustand ist das Gefühl, eins zu sein mit der Tätigkeit. Völlig im Moment aufzugehen. Man vergisst alles um sich herum, ist hochkonzentriert, die Aufgabe entspricht genau den eigenen Fähigkeiten, also keine Überforderung und auch keine Unterforderung. Sportler sprechen vom «Tunnel» oder von «the zone», in der man optimal funktioniert. Es flutscht einfach. Hier ein Beispiel eines professionellen Billardspielers, den ich auf der Eurotour als Coach betreut habe. Seinen Flow-Zustand hat er so beschrieben:

Ich fühle mich sicher.

Ich konzentriere mich auf die gegebenen Situationen.

Ich habe einen Tunnelblick: Ich sehe nur noch den Tisch und die Kugeln.

Nur daran denke ich. Ansonsten bin ich leer.

Ich sehe alles langsamer und näher.

Lange Bälle erscheinen wie kurze Bälle.

Alles wirkt so einfach, so als würde ich den Punkt direkt vor Augen haben.

So easy.

Jede Bewegung ist hochkonzentriert, z. B. Kreide nehmen, kreiden, Kreide wieder ablegen.

Wenn etwas misslingt, bleibe ich gelassen und setze mein Siegerlächeln auf.

Mit jedem Stoß spiele ich mich immer stärker in einen Rausch.

Billard ist mein Leben.

Tatsächlich bekam er Gänsehaut und glasige Augen, wenn er seine Flow-Beschreibung vortragen sollte. So emotional wirkte es auf ihn (Freudentränen natürlich).

Was kannst Du aus dieser Beschreibung für Dich lernen?
Welche Formulierungen hat er verwendet?
Welche Wörter spiegeln seinen Flow-Zustand wider?

Für Schriftsteller ist das Flow-Gefühl auch etwas tranceähnliches, in dem die Wörter geradezu aus einem heraussprudeln. Ein Geistesblitz folgt dem nächsten. Man schreibt und schreibt und vergisst vollkommen Zeit und Raum.

Von Franz Kafka ist bekannt, dass er seine Erzählung «Das Urteil» in nur acht Stunden in einer Nacht in einem Schreibrausch zu Papier brachte: «Die vom Sitzen steif gewordenen Beine konnte ich kaum unter dem Schreibtisch hervorziehn. Die fürchterliche Anstrengung und Freude, wie sich die Geschichte vor mir entwickelte wie ich in einem Gewässer vorwärtskam.» Hinterher war Kafka selbst erstaunt über dieses intensive Erlebnis und kommt zum Schluss: «Nur so kann geschrieben werden, nur in einem solchen Zusammenhang, mit solcher vollständigen Öffnung des Leibes und der Seele.»

(Quelle: Kafkas Tagebücher, 1912, S. 460 f.)

Schreibrausch hat also etwas mit Fokussierung zu tun. Das ist sogar eine Definition von Flow: Der Zustand höchster Konzentration. Damit ist klar, dass wir uns mit den Themen «Konzentration und Fokussierung» beschäftigen sollten, um die Voraussetzungen für regelmäßigen Flow zu schaffen. Das heißt nicht, dass Du nicht an mehreren Projekten parallel arbeiten kannst. Ich selbst habe auch viele Projekte gleichzeitig. Jedoch liegt dem eine fast schon perfektionistische Ordnung zugrunde, d. h. ich nehme für einen angesetzten Zeitraum (z . B. 20 Minuten, 1 Stunde, manchmal auch länger) immer nur ein Projekt zur Hand, an dem ich fokussiert arbeite. Anschließend speichere ich den aktuellen Stand und mache eine Pause. Im nächsten Schritt wende ich mich dann einem anderen Projekt zu, auf das ich mich ebenfalls zu 100 Prozent konzentriere.

Meine Freunde sagen mir oft: «Du machst zu viel parallel. Du tanzt auf zu vielen Hochzeiten.» Tatsächlich wissen sie nicht, wie strukturiert das alles abläuft, sogar mit Projektmappen und einer systematischen Ordnerstruktur. Ohne Organisation wäre es wohl wirklich nicht zu schaffen. «Häppchenweise Fokussierung» ist für mich das Erfolgsgeheimnis schlechthin.

Der Schriftsteller Robert Kraft (1869–1916) beschreibt seinen Schreibrausch so: Nach einem Spaziergang morgens um 5 Uhr geht er in sein Haus zurück. «Nachdem ich mich in einem Vorraum der Stiefel und des Mantels entledigt habe, steige ich zum Turmzimmer empor. Es ist eine enge niedrige Kammer, enthält nur einen Kachelofen, einen alten Großvaterstuhl und einen großen Schreibtisch(…). Auf dem Schreibtisch steht eine Schreibmaschine, über deren Walze Papier ohne Ende läuft, das sich durch eine einfache Vorrichtung auch selbsttätig wieder aufrollt. Darüber hängt eine Lampe von besonderer Konstruktion.

Ich setze mich, den Rücken gegen den wohlgeheizten Ofen, verstelle die Lampe, so daß ein ganz kleiner Blendstrahl nur gerade dorthin aufs Papier fällt, wo beim Schreiben auf der Maschine die letzte Schrift zum Vorschein kommt. Sonst ist das Zimmer vollständig dunkel, auch ich sitze so gut wie im Finstern.

Einige Minuten der Sammlung. Dann ziehe ich an einem Drahte. Und da rollt im Hintergrund ein Vorhang weg, und da liegt, von gelbem Licht umflossen, eine ungeheure Sphinx, die mich mit rotglühenden Augen anblickt.

Tatsächlich, es scheint ein riesenhaftes Ungeheuer zu sein! Das ist natürlich nur eine perspektivische Täuschung. In Wirklichkeit ist es eine spannanlange Steinfigur mit roten Glasaugen, die sich in einem an der Wand angebrachten Kasten befindet; sie wird von einem versteckten Lämpchen erleuchtet, und durch Drähte kann ich, ohne vom Schreibtisch aufstehen zu müssen, das Ganze hin- und her rücken, bis die Täuschung der Perspektive eine vollständige ist.

Für mich ist es eine ungeheure Sphinx, welche dort in weiter, weiter Ferne liegt und mir dennoch handgreiflich nahe. Unverwandt blicke ich sie an wie sie mich. Und die rotglühenden Augen bohren sich in mein Hirn und brennen mir bis ins Herz. Und dann fangen diese rotglühenden Augen auch zu sprechen an. Unbewußt legen sich meine Finger auf die Tasten der Schreibmaschine. Und so immer satt in die rotfunkelnden Augen der Sphinx blickend, beginne ich zu schreiben, Stunde um Stunde. Was ich schreibe? Ich weiß es selbst nicht. Ich schreibe ganz unbewußt. Aber wenn ich es hinterher lese, so hat alles Hand und Fuß. So entstehen meine Romane, mit denen ich seit vierzehn Jahren das Publikum unterhalte. Ich bin ein Trance-Schreiber.»

(Quelle: Robert Kraft (1908). Eine kurze Lebensbeschreibung. Als Einleitung zu: Die Augen der Sphinx. Gesammelte Erzählungen und Romane. Kolportageromane. Münchmeyer Verlag)

In dieser Beschreibung finden wir zwei weitere Aspekte für mehr Flow: Einstimmung und Rauschzustand. Für Robert Kraft gehören zur Einstimmung der Spaziergang, das Entkleiden und «einige Minuten der Sammlung». Sicher ist das hochindividuell – darum finde bitte Deine ganz persönliche Routine, die Du immer als Vorbereitung auf das Schreiben durchführst. Das kann Musik sein, eine Meditation, ein genüsslich zubereiteter Tee… Dieses Einstimm-Ritual sollte jedes Mal gleich ablaufen, um Deinem Gehirn zu signalisieren «Okay, jetzt darf ich gleich wieder in den Flow kommen!»

Das Rauschartige