Du hast es getan

Ich will jetzt den Ödipus des Rätsels spielen, das ganz Rattelburg so lange Zeit in Aufregung hielt. Ich will, ja, ich allein kann Ihnen die geheime Maschinerie erklären, die das Wunder zustande brachte - das einzig dastehende, das wahrhaftige, das eingestandene, das unbestrittene und unbestreitbare Wunder, das allem Unglauben unter den Rattelburgern ein für allemal ein Ende machte und alle Weltlichgesinnten und alle, die es gewagt hatten, skeptisch zu sein, zu der Strenggläubigkeit unserer Großmutter bekehrte.

Das Ereignis, von dem ich um keinen Preis im Tone unschicklicher Leichtfertigkeit reden möchte, trug sich im Sommer des Jahres 18.. zu. Herr Barnabas Schüttelwert, einer der wohlhabendsten und angesehensten Bürger des Städtchens, wurde seit ein paar Tagen vermißt, und zwar unter Umständen, die das Schlimmste befürchten ließen. Er hatte eines Samstagmorgens in aller Frühe Rattelburg zu Pferde verlassen, um, wie man wußte, die etwa fünfzehn Meilen entfernte Stadt B. zu besuchen und am Abend desselben Tages zurückzukehren. Zwei Stunden nach seinem Aufbruch kam sein Pferd ohne ihn und seinen Sattelranzen zurück. Das Tier war überdies verwundet und mit Kot bedeckt. Dies alles erregte natürlich bei den Freunden des Vermißten große Aufregung, und als er am Sonntagmorgen noch nicht zurückgekehrt war, wollte sich der ganze Flecken aufmachen, um nach seinem Leichnam zu suchen.

Der Eifrigste und der Energischste bei den späteren Nachforschungen war der Busenfreund des Herrn Schüttelwert - ein Herr Karl Biedermann - oder, wie man ihn allgemein nannte, das >alte Karlchen< Biedermann. Mag man es nun für ein wunderbares Zusammentreffen halten, oder mag der Name selbst einen unbemerkbaren Einfluß auf den Charakter seines Trägers ausüben, jedenfalls steht fest, daß es noch nie eine Person mit Vornamen >Karl< gegeben hat, die nicht offenherzig, mannhaft, ehrlich und gutmütig gewesen ist, die nicht eine volle, klare, wohltuende Stimme gehabt hat und ein Auge, das einem stets gerade ins Gesicht schaut, als wollte es sagen: >Ich habe ein gutes Gewissen; ich fürchte niemanden und bin keiner niederen Handlung fähig. < Und deshalb werden wohl auch in Zukunft alle sorglosen, herzlichen Herren, die gemütvoll auf der Weltbühne umherspazieren, Karl genannt werden müssen.

Dem >alten Karlchen< Biedermann war es denn auch gar nicht schwer gefallen, die Bekanntschaft aller ehrenwerten Leute des Fleckens zu machen, obwohl er sich erst seit ungefähr sechs Monaten in Rattelburg aufhielt und ganz fremd dorthin gekommen war. Da war nicht einer, dem ein Wort von ihm nicht wie tausend gewesen wäre; und was gar die Frauen anbetrifft, so läßt sich überhaupt nicht sagen, was sie alles getan hätten, um ihm einen Gefallen zu erweisen. Und dies alles, weil er >Karl< getauft worden war und mithin jenes offene Gesicht besaß, das, wie das Sprichwort sagt, >der beste Empfehlungsbrief <