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Achim Mehnert
DIE DELEGATION



In dieser Reihe bisher erschienen

5001 Christian Montillon Aufbruch

5002 Oliver Müller Sprung ins Ungewisse

5003 Vanessa Busse Dunkle Energie

5004 Vanessa Busse Angriff aus dem Nichts

5005 Oliver Müller Gefangene der Doppelsonne

5006 Achim Mehnert Das Vermächtnis der Moraner

5007 Rainer Schorm Jedermanns Feind

5008 H. W. Stein & Oliver Müller Die Sklavenwelt

5009 Achim Mehnert Todesdrohung Schwarzer Raumer

5010 Vanessa Busse Entscheidung Risiko

5011 Ben B. Black Zegastos Kinder

5012 Michael Edelbrock Fremde Seelen

5013 Achim Mehnert Böser Zwilling

5014 Achim Mehnert Sternentod

5015 Achim Mehnert Das Ende der Promet

5016 Achim Mehnert Tötet Harry T. Orell!

5017 Achim Mehnert Das galaktische Archiv

5018 H. W. Stein Der Tod und das Leben

5019 Achim Mehnert Die Delegation



Achim Mehnert


Die Delegation



RAUMSCHIFF PROMET
Band 19






Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!
Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung
ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.
Infos unter: 
www.BLITZ-Verlag.de

© 2018 BLITZ-Verlag
Redaktion: Jörg Kaegelmann
Titelbild: Manfred Schneider
Umschlaggestaltung: Mark Freier
Satz: Harald Gehlen
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-95719-579-1

Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!



Terra, noch 23.11.2090

„Terra den Terranern!“, beendete Jerome Lefuet seine Rede. „Terra les Terrans!“

Spontaner Beifall brandete auf, der sich in dem Gewölbe des Bierkellers in Sekundenschnelle zu einem Geräusch­orkan entwickelte, den die historischen Backsteinmauern zurückwarfen. Dan O‘Leary grinste breit, während Lefuet den Applaus genoss, zeigte er ihm doch, dass er die richtigen Worte gefunden hatte, um die Versammelten wie einen Mann hinter sich zu bringen. Fast wie einen Mann, korrigierte er sich in Gedanken, während er den Blick über die zwei Dutzend Männer und Frauen gleiten ließ, die seine Sorge um den Heimatplaneten der Menschheit teilten. Sie empfanden die gleichen Ängste und Vorbehalte, die Lefuet selbst antrieben. Außerirdische, die unbekannte Krankheiten einschleppten, wenn sie nicht sogar die Vorhut einer Invasion bildeten, die die Politiker erst als solche erkennen würden, wenn es längst zu spät war, um das Unheil noch von der Erde abzuwenden.

Lefuet fing einen warnenden Blick O‘Learys auf. Auch dem rothaarigen Iren war die Reaktion des untersetzten Claude Dupuis aufgefallen. Dupuis gehörte erst seit Kurzem zu ihren engeren Vertrauten. Er war in der Hierarchie schnell aufgestiegen, weil er sich vorbehaltlos mit den Zielen von Terra den Terranern identifizierte. Keine Außerirdischen auf die Erde! Raus mit diesen unberechenbaren Monstern aus dem Sonnensystem! Doch gerade eben, bei der Enthüllung von Lefuets neuestem und zweifellos spektakulärstem Coup, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erringen, hatte der Dicke unübersehbar zusammengezuckt. Für einen Moment hatte es so ausgesehen, als wollte er Widerspruch vorbringen, aber dazu hatte er sich dann doch nicht durchringen können. Sein Applaus blieb jedoch zögerlich, verhalten im Vergleich zum Rest der Versammelten.

Lefuet fragte sich, ob er einen Fehler begangen hatte. Vielleicht hätte er verschweigen sollen, dass sich ein Saboteur auf dem Weg zur Promet II befand, zu diesem verfluchten Raumschiff der unseligen Orell-Clique, die mit der außerirdischen Pest paktierte. Lefuets Gedanken schweiften weiter ab zu Harry T. Orell. Der alte Orell lebte, soviel war wohl sicher. Die Gerüchteküche ­brodelte, handfeste Fakten blieben jedoch Mangelware. Ob der HTO-Chef überleben würde, stand zwar in den Sternen, aber er lebte. Schlimm genug, oder zumindest dumm gelaufen. Lefuet ärgerte sich über sich selbst, weil er die Sache zu keinem besseren Ende gebracht hatte. O‘Learys Räuspern riss ihn aus seinen Gedanken. Er registrierte, dass der Applaus zum Erliegen kam, und setzte ein siegesgewisses Lächeln auf. Aus dem Augenwinkel erhaschte er Claude Dupuis‘ versteinerte Miene. Dupuis‘ bisher uneingeschränkte Zustimmung zu den Plänen der Gruppe hatte einen Riss bekommen. Er war von seinen Kameraden abgerückt. Stellte sich die Frage, wie er damit umgehen, welche Konsequenzen er daraus ziehen würde. Durch Lefuet kroch ein ungutes Gefühl. Unzuverlässige Leute in den eigenen Reihen konnte er nicht dulden, dafür stand zu viel auf dem Spiel. Wer nicht für ihn war, der war ­gegen ihn. So einfach war das. Bei ihren großen Plänen blieb kein Raum für Grauzonen.

„Ich danke euch“, beeilte er sich zu sagen. Er nahm sein Glas, hob es in Augenhöhe und prostete den Versammelten zu. „Auf das Gelingen all unserer Pläne! Terra den Terranern!“

Die Männer und Frauen ergriffen ihre Gläser und erwiderten den Trinkspruch. O‘Leary leerte sein Bier in einem Zug und wischte sich den Schaum von den Lippen. Dupuis hingegen nippte nur und stellte das Getränk vor sich ab. Er schien auf glühenden Kohlen zu sitzen. Unruhig rutschte er auf seinem Stuhl hin und her. Schließlich erhob er sich mit einem gequälten Lächeln.

„Was ist los?“, wollte der Ire wissen.

„Das Essen scheint mir auf den Magen geschlagen zu sein. Zu scharf, das vertrage ich nicht“, behauptete Dupuis und begab sich zum Ausgang. „Entschuldigt mich bitte. Ich gehe nur mal kurz an die frische Luft.“

„Schlimm?“, erkundigte sich Lefuet.

Dupuis winkte ab. „Nicht der Rede wert. Ich bin gleich zurück.“

Lefuet und O‘Leary schauten ihm misstrauisch hinterher. Die anderen achteten nicht weiter auf den Hinaus­gehenden. Bei ihnen erregte sein Verhalten kein Misstrauen, aber Lefuet spürte, dass etwas im Busch war. Er verständigte sich per Blickkontakt mit seinem Vertrauten, stand auf und folgte dem untersetzten Mann nach draußen.


*


Theodor Crook gähnte herzhaft. Er war seit zwanzig Stunden auf den Beinen und hatte kaum einmal ein paar Minuten Zeit gehabt, sich hinzusetzen und Kraft zu sammeln. Das holte er nach dem Start des T-Bootes nach. Er tastete sich einen schwarzen Kaffee, ließ sich in einem Büro des HTO-Werkschutzes nieder und genoss das dampfende Gebräu, das seine Lebensgeister bereits nach dem dritten Schluck anregte. In Gedanken ließ er die Lage Revue passieren.

Noch immer hielten sich zahlreiche Diplomaten der Genfer Weltregierung samt ihrer Entourage auf dem Werksgelände der HTO auf. Einige von ihnen würden sogar die Nacht hier verbringen. Crook rümpfte die Nase. Solange das Bankett andauerte und die Reste des Buffets nicht abgetragen wurden, gab es für die feinen Herrschaften keinen Anlass zum Aufbruch, es sei denn, der Champagner entfaltete seine Wirkung und trieb sie in die Federn. Die Männer des Werkschutzleiters ließen in ihrer Wachsamkeit jedenfalls nicht nach, auch wenn Crook mit keinem Vorkommnis rechnete.

Bisher ist nichts passiert, nun wird auch nichts mehr passieren. Wenn der langjährige Mitarbeiter des alten Orell sich Sorgen machte, dann um die Delegation, die der Filius des Chefs mit auf die Reise genommen hatte. Zum Mars sollte es gehen, lediglich ein kleiner Demonstra­tionsflug zur Promet II und zu den Moranern an Bord, aber Crook kannte Peet. Der Junge war ein Abenteurer, ein Draufgänger, genauso wie seine Freunde. Sie schreckten, zumindest seiner Einschätzung nach, vor keinem Risiko zurück. Um seine Fluggäste davon zu überzeugen, dass die Offenbarungen – Moraner, Riddle, Suuk – der Wahrheit entsprachen, würde Peet viel mehr tun, als bloß einen Abstecher zum vierten Planeten zu unternehmen.

Crook trank einen Schluck Kaffee und seufzte. Es war grotesk. Hochrangige Vertreter der Weltregierung mochten nicht so recht an den Wahrheitsgehalt der orellschen Verlautbarungen glauben, wohingegen Stammtischstrategen wie Terra den Terranern, deren Anhänger keine Beweise für die Anwesenheit Außerirdischer im Sonnensystem hatten, eben diese in düsteren Farben malten. Nicht seine Angelegenheit, zumindest nicht vorrangig. Seine Aufgabe bestand im reibungslosen Ablauf der Konferenz und zwar bis zum Ende. Seine Arbeit endete erst, wenn der letzte Diplomat mit seinem Gefolge das HTO-Gelände verlassen hatte. Vermutlich also nicht vor morgen früh. Erst dann konnte er sich anderen Pflichten widmen. Crook spülte den Rest des Kaffees durch den Mund und erhob sich.

Gerade als er das Büro verlassen und sich auf den Weg zu seinen Leuten begeben wollte, um sich routinemäßig nach dem Stand der Dinge zu erkundigen, meldete sich seine Com. Er hob den Arm und sah auf die Anzeige, die lediglich eine Nummer ohne Namen zeigte. Der Anrufer war also nicht im Verzeichnis gespeichert. Ungewöhnlich war das nicht, schließlich war seine Position als Werkschutzleiter der HTO eine öffentliche, was eine ständige Erreichbarkeit nötig machte, auch wenn er häufig eine Assistentin vorschaltete. Er nahm den Anruf entgegen und nannte seinen Namen.

„Guten Abend. Ich spreche persönlich mit Mister Crook?“ Die Stimme des Anrufers zitterte.

„So ist es.“ Crook überlegte, ob ihm die Stimme bekannt vorkam. „Und wer ist da?“

„Mein Name ...“ Sekundenlang herrschte Stille. „Tut nichts zur Sache.“

Crook verdrehte die Augen. „Aber den Grund Ihres Anrufs werden Sie mir doch bestimmt verraten?“

Erneut trat eine kurze Pause ein, bevor der Unbekannte sagte: „Es geht um die Delegation, mit der Peet Orell auf dem Weg zur Promet ist.“

Die Erwähnung der Raumjacht wirkte stärker als der Kaffee. Augenblicklich war Crook hellwach. Der Anrufer wusste Bescheid. „Zur Promet, sagen Sie?“

„Ja, Mister Crook.“

„Ich fürchte, ich weiß nicht, wovon Sie reden.“

„Doch, das wissen Sie. Ich auch, und noch einige andere.“

Die Konferenz wurde zwar unter enormen Sicherheitsvorkehrungen abgehalten, war jedoch nicht geheim gehalten worden. Der Start des T-Bootes war hingegen im Stillen vonstattengegangen, das Ziel geheim. Aber vielleicht hatte einer der Flugteilnehmer vor dem Start noch schnell eine Nachricht nach außen lanciert. Sie würde sich in Windeseile herumsprechen.

„Was wollen Sie denn nun?“, fragte Crook.

„Ich habe wichtige Informationen, aber ich brauche Schutz“, flüsterte der Unbekannte.

„Schutz?“

„Ja, Mister Crook ...“

Und dann endete die Verbindung abrupt.


*


Als Jerome Lefuet auf die Straße hinaustrat, schlenderte kichernd ein junges Paar an ihm vorbei. Er beachtete sie nicht, so wie sie ihn nicht beachteten, er hielt nach Claude Dupuis Ausschau. Der Dicke war nicht zu sehen, auch nicht direkt gegenüber, wo mehrere Schweber die Parkbuchten füllten. Überhaupt hielt sich außer dem turtelnden Pärchen, das sich bereits entfernte, kein Mensch auf der Straße auf. Kein Wunder um die Uhrzeit, es ging auf Mitternacht zu. Lefuet lief um die Ecke, wo neben dem alleinstehenden Gebäude ein abschüssiger und von Buschwerk gesäumter Weg zu einem Bach hinunterführte, an dessen jenseitigem Ufer sich ein Waldstück anschloss. Wie eine dunkle Wand ragten die Bäume auf, ihre Wipfel hoben sich kaum vom Schwarz des Himmels ab.

Lefuet wollte schon umkehren, als er eine wispernde Stimme vernahm. Er bemerkte die Umrisse eines Mannes, und als er sich heranschlich, erkannte er Dupuis. Der Dicke drehte ihm den Rücken zu. Er flüsterte. „Ich habe wichtige Informationen ... Ich brauche Schutz ...“ Lefuet vernahm nur Wortfetzen. Sein Misstrauen war also berechtigt. Der Dicke warnte offenbar seinen Gesprächspartner, oder er stand im Begriff, dies zu tun. In dem Fall war die gesamte Planung umsonst.

„Ja, Mister Crook“, sagte Dupuis gerade.

Crook? Etwa Theodor Crook, der Werkschutzleiter der verdammten HTO? Ja, welcher Crook denn sonst? Blinde Panik befiel Lefuet und schaltete sein Denken aus. Er sah die Enttarnung des Saboteurs vor sich, bevor dieser seine Aufgabe erfüllen konnte. Er sah die Rückkehr der intakten Promet zur Erde voraus, mit einer Bande dummer Politiker an Bord, die der Orell-Clique auf den Leim gegangen war und die nun der Kollaboration mit den Außerirdischen zustimmte, einer Kollaboration, die zur Versklavung oder gar zum Untergang der Menschheit führen konnte. Lefuet merkte gar nicht, dass er sich bückte und nach etwas griff. Der Drang, das drohende Verhängnis abzuwenden, war so übermächtig, dass er jeden Rest von Vernunft ausschaltete. Lefuet bekam einen faustgroßen Stein zu fassen und fuhr in die Höhe, gerade als Dupuis sich umdrehte und ihn aus weit aufgerissenen Augen anstarrte. Die Lippen des Dicken bebten, und er wollte etwas sagen, wahrscheinlich zu Crook. Ihn warnen. Sie alle verraten und ihre Pläne zunichtemachen.

Du elender Verräter! Dir haben wir vertraut. Ich habe dir vertraut. Lefuet riss die Hand nach oben und schlug zu, ein einziges Mal nur, doch mit aller Kraft, die er in seinem Zorn aufbrachte. Ein schmatzendes Geräusch entstand, als würde eine überreife Melone platzen, begleitet von einem hässlichen Knacken, das dem TdT-Anführer trotz seiner blinden Wut Übelkeit bereitete. Sein ­Gegenüber sackte zusammen und fiel zu Boden. Dupuis röchelte, seine Beine zuckten, dann lag er still da. Lefuet wusste sofort, dass er getötet hatte.

Er fuhr herum und erwartete, dass ein Haufen Augenzeugen oben an der Straße stand und ihn beobachtete, doch alles war ruhig und verlassen. Er handelte, ohne lange zu überlegen, und ließ den blutigen Stein fallen. Dann packte er Dupuis, schleifte den schweren Kerl an den Rand des Weges und rollte ihn zwischen die Büsche. Schnaufend lauschte er, doch kein Geräusch war zu hören. Lediglich sein eigener Atem rasselte, während er einfach nur dastand, um allmählich zu begreifen, was er soeben getan hatte. Er hatte eigenhändig einen Menschen erschlagen. Das war etwas anderes, als Harry T. Orell mit einem Gleiter über den Haufen zu fliegen. Davon abgesehen, hatte der alte Orell überlebt. Den Fettwanst Dupuis hingegen würde keine ärztliche Kunst der Welt mehr zum Leben erwecken.

Gewissensbisse befielen Lefuet, doch er kämpfte sie nieder. Um die Menschheit zu retten, mussten Opfer gebracht werden. Das galt für Dupuis ebenso wie für die Promet und alle, die sich an Bord aufhielten. Er winkelte den Arm an, schaltete sein Com-Gerät ein und rief O‘Leary, während sich sein rasender Herzschlag und seine Atmung beruhigten. „Komm sofort raus!“, gab er im Befehlston durch. „Um die Ecke und ein Stück den Weg runter.“

„Was ist denn los?“, wollte der Ire wissen.

„Stell keine Fragen, beweg dich“, presste Lefuet zwischen den Zähnen hervor. Er streifte dem Toten die Com vom Handgelenk, zertrat sie und steckte sie der Leiche in die Hosentasche.


*


„Hallo?“ Stille. „Sind Sie noch da?“ Crook wartete vergeblich auf eine Antwort. Stattdessen vernahm er ein Schleifen, das verschiedene Ursachen haben konnte. Ihm kam die Vorstellung eines Körpers, der über den Boden gezogen wurde. Warum dachte er ausgerechnet an das Schlimmste? Vermutlich eine Berufskrankheit. Doch es musste einen Grund dafür geben, dass sich der Unbekannte nicht mehr meldete. Die Verbindung bestand jedenfalls weiterhin, endete allerdings Sekunden später mit einem harten Knacken. Ob es sich um einen Scherz gehandelt hatte? Wohl kaum. Dahinter steckte mehr, da war sich Crook sicher. Vielleicht hatte der Anrufer im letzten Moment kalte Füße bekommen.

Crook rekapitulierte, was er bei dem kurzen Gespräch erfahren hatte. Einerseits war es wenig, andererseits zu viel, um es zu ignorieren. Es ging um die Promet und um irgendwelche ominösen Informationen. Informationen worüber? Woher, fragte sich Crook erneut, wusste ein Wildfremder, dass Peet Orell mit einigen hochrangigen Politikern auf dem Weg zu seiner Raumjacht war? Bestimmt rief er den Sicherheitschef der HTO nicht an, um mit seinem Wissen zu prahlen. Möglicherweise hatte er Geld herausschlagen wollen, um dieses Wissen für sich zu behalten. Doch hätte er sich dann ausgerechnet an den Werkschutzleiter ­gewendet? Nachdenklich schüttelte Crook den Kopf. Er konnte sich keinen Reim auf die Sache machen.

Er rief die Liste der zuletzt eingegangenen Anrufe auf und betrachtete die oben stehende Nummer. Es sollte nicht allzu schwierig sein, den Teilnehmer zu ermitteln. Vielleicht ergab sich eine Verbindung zu einem Mitglied vom Werkschutz, das im Verdacht stand, für die Space Rocket Company zu spionieren. Crook entschied, diesbezügliche Nachforschungen auf den nächsten Morgen zu verschieben. Er trat hinaus auf das nächtliche Werksgelände, denn es wurde Zeit, dass er sich bei seinen Leuten meldete.


*


„Warum scheuchst du mich hinaus? Es ist kalt.“ O‘Leary schüttelte sich, dann besann er sich. „Wo steckt Dupuis? Verschwunden?“

Wortlos deutete Lefuet zwischen die Büsche. Man musste genau hinschauen, um in der Dunkelheit den regungslosen Körper zwischen dem dichten Blattwerk zu entdecken. Der Ire griff sich mit der Hand an die Kehle und gab einen erstickten Laut von sich. Er klang wie das ängstliche Jaulen eines geprügelten Hundes.

Lefuet schnaubte verächtlich. Er hatte sich inzwischen wieder gefangen.

„Ist er tot?“, fragte O‘Leary mit einem raschen Blick über die Schulter.

„Ja.“

„Du hast ihn ...“ Der Ire rang nach Worten. „Du hast ihn umgebracht?“

„Mir blieb nichts anderes übrig. Alles ging so rasend schnell. Eigentlich war es ein Unfall.“

„Ein Unfall? Bist du wahnsinnig?“ O‘Learys Stimme drohte sich zu überschlagen. In der Stille schallten seine Worte weithin vernehmbar.

„Willst du wohl die Klappe halten!“, zischte Lefuet drohend. „Begreif doch, er war drauf und dran, uns auffliegen zu lassen. Er hat mit Crook gesprochen, diesem Sicherheitsfritzen bei der HTO. Der Fettsack wollte uns hochgehen lassen. Was meinst du wohl, was dann aus uns geworden wäre? Auch aus dir. In spätestens einer Stunde würdest du im Gefängnis sitzen. Also tu mir bitte den Gefallen und beruhige dich.“

O‘Leary schluckte krampfhaft. „Wie viel hat er Crook erzählt?“

„Nicht viel … glaube ich.“ Lefuet stieß den Toten mit der Fußspitze an. „Wir können ihn nicht hier liegenlassen. Die Police wird schnell ermitteln, wo er sich aufgehalten hat.“ Er deutete mit dem Daumen über die Schulter. „Und der Wirt kann sich leicht an dich und mich erinnern. Also schaffen wir die Leiche weg, bevor jemand darüber stolpert.“

„Wohin denn?“ O‘Leary nagte an seiner Unterlippe. „Früher oder später wird man ihn finden, und dann ...“

„Wird man nicht“, unterbrach Lefuet seinen Gehilfen. „Weil nichts von ihm übrigbleibt, nicht mal genug zur Entnahme einer Gewebeprobe und einer DNA-Analyse. Ich habe einen Energiestrahler im Handschuhfach. Ich gehe jetzt zum Parkplatz und hole meinen Schweber. Der Weg ist breit genug, ebenso die alte Brücke. Drüben im Wald machen wir reinen Tisch.“

Der Rotschopf würgte. „Ich glaube, ich muss kotzen.“

„Reiß dich zusammen, verdammt noch mal!“, fuhr Lefuet O’Leary an. „Wenn wir besonnen handeln, sind wir aus dem Schneider. Oder willst du lieber einsitzen?“

O‘Leary schüttelte lahm den Kopf. „Was ist mit den anderen im Bierkeller? Sagst du ihnen Bescheid, dass die Versammlung beendet ist?“

Lefuet tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Stirn. „Damit sie den Laden verlassen und mitbekommen, wie wir Dupuis in den Schweber packen? Wenn wir nicht zurückkommen, machen sie sich bald von allein auf den Weg. Dort drüben liegt übrigens der Stein, den ich benutzt habe, um … Du weißt schon. Sammle ihn ein. Wir werfen ihn unten in den Bach. Was ist los mit dir? Hörst du mir überhaupt zu?“

„Ja“, brummte der Ire. „Ist gut. Ich mache ja alles.“

Das ist auch besser für dich, dachte Lefuet, als er den Weg hinaufging. Zwar brauchte er O‘Leary, aber nicht so sehr, dass er eine Dummheit des Iren tolerieren würde. Er hatte einen Toten und den schwerverletzten alten Orell auf dem Gewissen, ganz abgesehen von dem Saboteur, da würde er nicht vor einem weiteren Mord zurückschrecken. Das schuldete er nicht nur sich selbst, sondern der gesamten Menschheit.