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Fachbereich

PHILOSOPHIE

Philosophische Anthropologie

Teil 3:

EMOTIONEN UND VERNUNFT

Von Prof. Dr. Michael Bordt SJ

Meine Damen und Herren,

herzlich willkommen zu unsrer dritten Folge in der Reihe ‚Einführung in die philosophische Anthropologie’. In dieser Vorlesung stehen zwei Themen auf dem Programm. Zum einen wollen wir uns Gedanken machen über objektive Kriterien eines gelungen Lebens. Zum Zweiten werden wir uns dem Thema Emotionen zuwenden.

Wir haben ja in der vergangenen Folge einen Begriff des gelungenen Lebens erarbeitet. Wir haben uns Gedanken darüber gemacht, dass wir viele Dinge um anderer Dinge willen tun und haben so etwas wie einen letzten Begriff, ein oberstes Gut, ein letztes Ziel des Menschen erarbeitet. Dann haben wir uns verschiedene Begriffe, verschiedene Ausdrücke angeschaut, die dieses oberste Gut, das letzte Ziel bezeichnen, und haben dann überlegt, dass der Begriff des gelungenen Lebens der geeignete Begriff ist, um unsere Intuitionen über das gelungene Leben, das letzte Ziel des Menschen, zum Ausdruck zu bringen.

Aber die entscheidende Frage, der wir uns jetzt zuwenden, ist natürlich diejenige, was denn nun der Sache nach, inhaltlich, wie wir Philosophen sagen, das gelungene Leben, das letzte Ziel des Menschen konstituiert. Kann es überhaupt objektive Kriterien dafür geben, wann ein Leben gelingt und wann es nicht gelingt? Und was wären das für Kriterien?

Sie sehen schon, diese Frage ist natürlich schwierig zu beantworten, und zwar schon allein aus dem Grund, weil die Gefahr, dass hier persönliche Lebenserfahrungen, eigene, lieb gewonnene Überzeugungen, aber auch Überzeugungen, die in unserer Kultur verwurzelt sind, besonders leicht Eingang in unsere Überlegungen finden können, sodass man dann eigentlich ganz private Dinge als objektiv richtig ausgibt.

Aber ich denke, drei Kriterien, denen ein Begriff des gelungenen Lebens entsprechen muss, können wir dennoch festmachen. Zum Ersten ein formales Kriterium, nämlich dass das gelungene Leben tatsächlich das oberste Gut, das letzte Ziel unseres Strebens sein muss. Zum Zweiten unsere menschliche Verfassung, die conditio humana, zu der ich später etwas sagen möchte und schließlich, zum Dritten, ein sehr weiches Kriterium, und zwar so etwas wie eine gewisse Unabhängigkeit, die ich, wenn mein Leben gelingen soll, den Dingen gegenüber einnehmen muss, die auf der Ebene des gelebten Lebens in meinem Leben passieren, die mir widerfahren.

Das oberste Gut

Ich komme damit zum ersten Kriterium: das oberste Gut. Das erste Kriterium ist, dass es sich bei dem Gut tatsächlich um ein oberstes Gut handeln muss, d. h., ein Gut, bei dem sich die Frage danach, warum wir es anstreben oder was mit diesem Gut, mit diesem Ziel noch erreicht werden soll, nicht mehr stellt. Ein ganz klarer Fall in Bezug auf einen Irrtum hinsichtlich der Bestimmung eines obersten Gutes ist z. B. der Gelderwerb, ist Reichtum. Natürlich ist es so, dass viele Menschen der Auffassung sind, dass reich zu sein, zum gelungenen Leben dazugehört. Aber, um es etwas pointiert zu sagen, wenn wir nicht gerade Leute wie Dagobert Duck sind, die es das Schönste im Leben finden, einfach am Morgen einen Kopfsprung in ihr Geldbad hinein zu machen, sondern, wenn wir, Geld wichtig finden, weil uns durch Geld andere Dinge ermöglicht werden, dann ist schon deutlich, dass der Gelderwerb selbst, das Geld zu haben, reich zu sein, immer nur ein Mittel zu einem anderen Ziel sein kann. Reich zu sein, Geld zu haben selbst, ist nicht ein oberstes Gut, weil mit Geld anderes ermöglicht werden soll, z. B. einen flotten Wagen zu fahren, den dann alle anderen Leute ganz toll finden und uns beneiden. Oder ein gutes Werk tun zu können, Dinge finanziell unterstützen zu können, die einem selber am Herzen liegen und die man nicht selber durchführen kann. Wie immer Sie auch über Geld und über Reichtum denken, klar ist, das letzte Ziel kann es nicht sein, weil Geld immer nur ein Ermöglichungsgrund für etwas anderes ist.

Natürlich gibt es viele Menschen, die der Überzeugung sind, dass es das Wichtigste sei, reich zu sein. Aber diese Menschen leben in einem Irrtum. Sie sind unaufgeklärt über das, was tatsächlich ihr letztes Ziel ist. Sie müssten darüber nachdenken, was sie denn mit diesem Geld alles machen wollten und müssten sich Gedanken darüber machen, ob es denn wirklich, realistischer Weise stimmt, dass sich ihr Leben so sehr zum Besseren, zur Zufriedenheit hinwenden würde, wenn sie das Geld hätten, diese Dinge zu ermöglichen.