Inhalt




Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Epilog

Nachwort

Impressum





© 2019, hansanord Verlag


Alle Rechte für diese Ausgabe vorbehalten
Das gilt vor allem für Vervielfältigung, Übersetzungen, Mikrofilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen - nur nach Absprache und Freigabe durch den Herausgeber.


Sämtliche Handlungen und Hauptcharaktere sind frei erfunden.


Buch ISBN: 978-3-947145-08-9
E-Book ISBN: 978-3-947145-17-1


Für Fragen und Anregungen: info@hansanord-verlag.de
Autorenfoto: Thomas Krenz

Weitere Infos zum literarischen Schaffen des Autors finden sich auf www.martinschemm.de.



hansanord Verlag
Johann-Biersack-Str. 9
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Martin Schemm


Tod im Mariendom



Historisch-fantastischer Roman

 

 

 

 

über den Autor




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Der Historiker Martin Schemm wurde 1964 geboren, wuchs im Kraichgau südlich von Heidelberg auf, wo er auch studierte. Heute lebt er mit seiner Frau im schönen Hamburg und hat eine erwachsene Tochter. Er arbeitet als Pressereferent beim Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit. Seit mehr als 20 Jahren widmet er sich in seiner Freizeit dem Schreiben, meist in den Genres Historischer Roman und Phantastik. Im Laufe der Jahre sind sieben Romane und zahlreiche Kurzgeschichten entstanden. Im Jahr 2007 erhielt er den Deutschen Phantastik Preis. "Tod im Mariendom" ist sein jüngstes Werk.

Weitere Infos zum literarischen Schaffen des Autors finden sich auf www.martinschemm.de.

 





Für

Ina und Laura

… an jedwedem Ort der Welt







"Da ergriff mich plötzlich jene Angst der Geisternähe, die ich
nie gekannt, ich fühlte, wie kalter Schweiß auf der Stirn
tropfte und wie in seinem Eise gefroren mein Haar sich
emporspießte. Nicht vermögend, ein Glied zu rühren, den
Mund zum Schrei des Entsetzens zu öffnen, strömte das
Blut rascher in den hüpfenden Pulsen, und erhielt den
inneren Sinn wach, der nur nicht über die äußern, wie im
Todeskrampf erstarrten Organe zu gebieten vermochte."


E.T.A. Hoffmann 
Die Serapions-Brüder (1819)

Nachwort



"Erklären kann und will ich jene sonderbaren
Vorfälle nicht. Aber sind sie geschehen, so sind
sie auch ganz gewiss der Ordnung und den Gesetzen
der Natur gemäß geschehen, nur dass wir jene
Gesetze noch nicht kennen."

Johann August Apel

Zwei Neujahrsnächte (1813)

 

 

 

       Tatsächlich beschreibt J.A. Apel, der berühmte Sammler von Sagen- und Gespenstergeschichten, mit seiner ca. zweihundert Jahre alten Aussage ganz zutreffend das nach wie vor bestehende Dilemma der Spukforschung. Letztendlich hat sich da seither nicht viel verändert. Trotz einer erstaunlichen Menge an teilweise gut dokumentierten Fällen und trotz modernster naturwissenschaftlicher und parapsychologischer Methoden fehlt am Ende der empirische Beweis. So ist und bleibt Spuk eine persönliche Frage – entweder man glaubt daran oder man tut es nicht. Die meisten halten es da mit dem skeptischen Apostel Thomas, der nur glauben wollte, was er mit eigenen Augen sehen konnte. Ich für meinen Teil übrigens neige – wenn ich ehrlich bin – den „Gläubigen“ zu, aus eigenem Erleben …

        In den Fachbüchern und Fallberichten zeigt sich ein begrenzter Kanon an spukhaften Erscheinungsformen, die bei realen Fällen immer wieder auftreten, also bestimmte akustische, optische oder fühlbare Phänomene. Hierzu zählen beispielsweise Klopflaute, Schritte, Stimmen, regnende Steine, schwebende Feuerkugeln oder sich bewegende Möbel. Aus Gründen der Authentizität habe ich im Roman fast nur solche Manifestationen verwendet. Übrigens haben sich die beiden im Text erwähnten Spukfälle Ringcroft 1695 und Dibbesdorf 1767 tatsächlich ereignet – sie gelten sogar als recht glaubwürdig.

        Ein Wort noch zum Schauplatz des Romans. Als Hamburger war es mir ein Anliegen, die Spukgeschichte in der Hansestadt anzusiedeln. Doch ach, es fehlte ein geeigneter Ort mit dem nötigen Hauch Gothic – die moderne Stadt ist einfach zu realistisch und nüchtern. Erst die Suche in Hamburgs Historie hielt einen solchen Ort bereit, den alten Mariendom, der tatsächlich um 1806 abgerissen wurde. Was an Fakten und Legenden darüber existiert, offenbart eine schaurige Stätte, wie geschaffen für den Roman. Der Reisende Garlieb Helwig Merkel, der Hamburg 1801 besuchte, schrieb kurz vor dem Abriss über den Dom: „Nur mit Schaudern tritt man in dies alte Gemäuer, so verfallen, dunkel und schmutzig ist alles; so nahe scheint es dem Einsturze.“ Für eine Spukgeschichte der richtige Ort und die richtige Zeit …

        Zu guter Letzt möchte ich mich noch bedanken. Einmal mehr bei meiner lieben Frau Ina, die mir erneut bei der Entstehung und beim Lektorat des Romans mit Rat und Tat zur Seite gestanden hat. Des Weiteren danke ich meiner Tochter Laura, die mir bei der Romanplanung ihr Ohr geliehen und so die plausible Entwicklung des Stoffes gefördert hat. Ebenso bedanke ich mich ganz herzlich bei Thomas Stolze, der dieses Buch im Verlag hansanord hat Wirklichkeit werden lassen. Zuletzt schließlich gilt mein Dank meinem Cousin Thomas Schemm für die eine oder andere wertvolle Anregung. So hat er mich insbesondere mit dem alten schweizerischen Spukfall um Nationalrat Melchior Joller bekannt gemacht, einem sehr inspirierenden „Klassiker“.

 

Hamburg-Langenfelde, im Herbst 2018

Prolog



       Wenn ich die Ereignisse heute mit dem Abstand von mehr als zwanzig Jahren Revue passieren lasse, so vermag ich noch immer nicht wirklich zu begreifen, was in jenen Wochen im Herbst 1787 geschehen ist. Allzu seltsam und unfassbar – ja, zweifellos übernatürlich – war all das, was uns damals im Umfeld des alten Mariendoms und des Domkapitels zu Hamburg wie eine Heimsuchung ereilt hat. Ich sage uns, doch leider ist von dem knappen Dutzend Zeugen jener Vorfälle heute kaum einer mehr da, der sich mit mir erinnern könnte. Viele sind schon von uns gegangen, andere habe ich aus den Augen verloren und manch einer hat das Ganze längst aus seinem Geiste verbannt. Mit diesem Bericht möchte ich die merkwürdigen Geschehnisse nun vor dem Vergessen bewahren und sie mir zugleich von der Seele schreiben.

        Ein ums andere Mal habe ich in den vergangenen Jahrzehnten versucht, mir selbst eine plausible Erklärung für das Erlebte zu geben, doch mehr als eine vage, kaum beweisbare Theorie halte ich nicht in Händen. Mit Gewissheit kann ich lediglich sagen, dass es keine Sinnestäuschungen waren, sondern zweifellos Manifestationen übernatürlicher Kräfte. Durch die chronologische Ordnung und Schilderung der Ereignisse im Rahmen dieses Berichts hoffe ich nicht zuletzt, für mich selbst Klarheit gewinnen zu können. Hierfür werde ich angesichts der bereits verblassenden Erinnerung meine alten Aufzeichnungen und Tagebuchnotizen zu Rate ziehen.

        Mein sehnlichster Wunsch wäre es, nach Vollendung dieser Niederschrift meinen Frieden mit dieser seltsamen Episode schließen zu können. Und sollte es mir als Verstandesmensch nicht vergönnt sein, eine rundum schlüssige Erklärung zu erlangen, so wäre ich dem Allmächtigen schon dankbar, wenn ich das Unbegreifliche schlicht als gottgegeben in mein Weltbild aufnehmen könnte. So wie Shakespeare seinen Hamlet tiefgründig sagen lässt: Es gibt mehr Dinge im Himmel und auf Erden … Des Weiteren, so muss ich zugeben, hege ich mit der Veröffentlichung auch die Hoffnung, nicht länger allein sein zu müssen mit einer Erfahrung, die bei weitem den menschlichen Horizont übersteigt.

        Warum, mag sich mancher Leser fragen, erfolgt die Niederschrift erst so spät, nach zwanzig langen Jahren? Nun, weil die Zeit bislang noch nicht reif war, würde ich ihm entgegnen. Denn erst heute kann mein Bericht keine alten Wunden mehr aufreißen, denn viele, die damals liebe Menschen auf grausige Weise verloren haben, weilen nun nicht mehr unter uns – wie insbesondere Seine Hochwürden Domherr von Welmhoff, mein damaliger Dienstherr, und seine Gemahlin. Der entsetzliche Tod ihrer damals zwölfjährigen Tochter hat beiden seinerzeit den Lebenswillen geraubt. Sie zogen sich auf ihr Landgut zurück und sind dort vor einiger Zeit gramgebeugt verstorben. Auch von den übrigen einst elf Domherren sind heute nur noch drei am Leben, einer von ihnen in der Irrenanstalt. Diesen letzten drei Kanonikern sind jene alten Geschehnisse zudem unbekannt, sie ereigneten sich vor ihrer Zeit. So mag es niemandem Leid oder Schaden zufügen, wenn ich sie heute offenbare.

        Ein weiterer Grund, warum ich den Bericht heute schreiben kann, ist, dass der Dom und viele dazugehörige Gebäude jüngst abgerissen worden sind. Dank der von der Reichsdeputation beschlossenen Säkularisation war das Domkapitel anno 1803 an die Stadt Hamburg gegangen, die es umgehend auflöste und den Abriss der Bauten besiegelte. Denn der Dom war schon lange Zeit zuvor – auch damals, als ich dort lebte – nur noch eine verfallende düstere Höhle, in die kaum ein Hamburger mehr seinen Fuß setzte. Es war ein aus der Zeit gefallener Fremdkörper im Herzen der Stadt, von niemandem mehr als Ort des Gebets genutzt oder als Baukunstwerk verehrt. So muss Altes eben Neuem weichen. Gerade in unseren heutigen Tagen, da Hamburg von Franzosen besetzt ist und durch Fremdherrschaft und Not bitter bedrängt wird, erleben wir Wandel und Umbruch, und sei es auch schmerzlich. Für mich war der Abriss des Doms, wie der Leser vielleicht bald verstehen mag, auf jeden Fall eine Erleichterung. Erst jetzt, da nichts mehr an die Stätte erinnert, fühle ich mich in der Lage, über das Erlebte zu schreiben.

        Zudem danke ich Gott dem Herrn, dass ich mit meiner Gattin und unseren Töchtern schon lange nicht mehr im Umfeld des früheren Doms lebe. Hier am Hopfenmarkt herrscht das lebendige Treiben der Großstadt, und das nahe Kontorhaus, wo ich seit Jahren arbeite, hat nichts Altes oder Verfallendes an sich. Gleichwohl haben jene Erlebnisse tiefe Spuren in mir hinterlassen. Wann immer mich mein Weg durch die Stadt an dem nun leeren Domplatz vorüberführt, beschleicht mich stets noch ein nagendes Gefühl ängstlicher Verunsicherung.

        Ehe ich den Leser nun mit hineinziehe in das Mysterium, fordert meine Verantwortung, dass ich ihn vor den möglicherweise verstörenden Wirkungen der Lektüre warne. Die geschilderten Ereignisse sind in ihrer Art und Weise erschreckend und haben zudem tragischer Weise Menschenleben gefordert. Für Zartbesaitete könnten die folgenden Seiten also mehr Grauen als Unterhaltung bereithalten. Doch selbst hartgesottenen Lesern sollte bewusst sein, dass nicht Dichtkunst, sondern wahre Begebenheiten hier die Feder geführt haben.

 

Christian Jakob Holenius

Hamburg, am Michaelstag 1809

 

Kapitel 1



       Ehe ich beginne, den Faden meiner Schilderung zu entrollen, möchte ich zunächst erläutern, welche Wege mich in das Domkapitel zu Hamburg geführt haben, denn ich bin nicht an den Gestaden von Alster oder Elbe geboren. Vielmehr stamme ich aus dem ostpreußischen Königsberg, wo ich als zweitältester Sohn des alteingesessenen Hauses Holenius aufgewachsen bin. Aus unserer Familie sind im Laufe der Generationen höchst respektable Männer hervorgegangen, die als Offiziere, Pastoren, Ratsherren oder Lehrer zu Ansehen gelangt sind.

        So konnte es mir mein Elternhaus ermöglichen, an der Universität zu Königsberg Juristerei und Theologie zu studieren. Dank dieser Ausbildung war ich mithin prädestiniert für eine Tätigkeit im Beamtenstab eines Domstifts oder Kapitels. Es fügte sich daher vortrefflich, dass das Hamburger Domkapitel, das aus etwa einem Dutzend Kanonikern bestand, im Herbst des Jahres 1786 nach einem Offizianten, also einem Beamten, suchte. Da konnte ich meinen Hut hoffnungsfroh in den Ring werfen, zumal mein damals in Stade lebender Onkel über beste Beziehungen zur dortigen Provinzregierung des Kurfürstentums Hannover verfügte. Das ehrwürdige Haus Hannover – und damit zugleich seine Exzellenz der König von England – war damals die weltliche Herrschaft des Domkapitels und hatte insofern maßgeblichen Einfluss auf die Besetzung von Stellen. Dank meines Onkels schlug die Hannoversche Regierung in Stade meine Bewerbung also vor, die dann dankenswerterweise auch vom Domkapitel bestätigt wurde. So kam es, dass ich im Februar 1787 mit dem Schiff von Königsberg nach Hamburg reiste. Damals war ich sechsundzwanzig Jahre alt.

        Die von mir angetretene Stelle als Offiziant des Domkapitels war die des Substruktuars. Dieser war, wie der Titel andeutet, die rechte Hand des Struktuars, des wohl wichtigsten Domherrn nach dem Dekan. Der Struktuar, im Hamburger Kapitel damals der hochwürdige Kanonikus Friedrich August von Welmhoff, war für das Bauwesen des Domstifts verantwortlich. Dies umfasste alle Neu- und Umbauten sowie den Unterhalt und die Instandhaltung aller kapiteleigenen Gebäude und Liegenschaften. Neben dem Mariendom betraf das vor allem die zwölf von den Kanonikern bewohnten Kurienhäuser nebst Ställen und Nebengebäuden sowie zahlreiche städtische Häuser, die zum Vermögensbestand des Domstifts zählten und vermietet oder verpachtet waren. Mein Onkel hatte mich indes bereits vorgewarnt, dass viele der Bauten mangels Geldes so verfallen und heruntergekommen waren, dass das Domkapitel gar in schlechtem Ansehen beim Volk stand.

        Zu dem üppigen Jahresgehalt in Höhe von sechshundert Mark Courant erhielt ich im Haus meines Dienstherrn zusätzlich Kost und Logis. Einziger Wermutstropfen war die strenge Residenzpflicht, die verbot, auch nur eine Nacht außerhalb der Mauern des Domkapitels zu verbringen. Sie galt indes auch weitgehend für die Kanoniker selbst, nur in Ausnahmefällen wurde eine Befreiung durch das Kapitel genehmigt.

        Nun, seit den letzten Tagen des Februars 1787 lebte und arbeitete ich also im Kurienhaus Seiner Hochwürden Domherr Friedrich August von Welmhoff. In aller Bescheidenheit darf ich sagen, dass ich ein gelehriger Adlatus war und zügig begriff, worin die Aufgaben eines Substruktuars am Hamburger Domkapitel bestanden. Vom ersten Tag an führte mich mein Dienstherr umfassend und fachkundig in alle Bereiche des Bauwesens ein, so dass ich bereits ab dem Sommer eigenständig tätig werden konnte. Als rechte Hand arbeitete ich dem Struktuar zu und unterstützte ihn, wann und wo immer es vonnöten war. Daneben oblag mir alleinig die Bestellung und Beschaffung von Baustoffen wie Stein, Holz und Sand, aber auch grundsätzlich von Vorräten des Kapitels. Des Weiteren hatte ich vor Ort Baustellen und Handwerker zu beaufsichtigen sowie auch häufig ausstehende Mieten von Häusern des Kapitels einzuziehen. Da ich im Umgang mit dem einfachen Manne – sei er Maurer, Steinreiber, Mörtelrührer oder Zimmerer – stets ein offenes, freundliches Wort führe, gab es hier von Anfang an keine größeren Probleme.

        Ebenso erfreulich gestaltete sich glücklicherweise das Verhältnis zu meinem Dienstherrn. Der damals fast fünfzig Jahre alte Domherr, ein herrschaftlicher, höchst gebildeter Mann, schenkte mir gütigst seine Huld und sein Vertrauen – eine Gnade, die ich ihm stets mit Fleiß und Folgsamkeit zu vergelten bemüht war. Das gemeinsame Leben unter einem Dach hat dieses löbliche Verhältnis gewiss befördert. Auch die Gemahlin Seiner Hochwürden und die zwölfjährige Tochter beschenkten mich bereits nach kurzer Zeit mit ihrer großmütigen Gunst und Gewogenheit. Insofern konnte ich dem Allmächtigen Herrn immer wieder aufs Neue Dank sagen für mein gnädiges Schicksal.

        Das Kurienhaus, das die Familie Welmhoff bewohnte, stand auf der Südseite des großen Mariendoms, von diesem durch einen weitläufigen, mit Linden bestandenen Kirchhof getrennt. Die im siebzehnten Jahrhundert im Stil eines eleganten Hamburger Bürgerhauses erbaute Kurie war im Mittelteil einer Häuserzeile gelegen, die sich in weitem Bogen um die Kirche herum erstreckte. Zu dem geräumigen, dreigeschossigen Haus gehörten außerdem noch vier angrenzende Wirtschafts- und Lagergebäude, ein Stall und eine Remise für die Kutsche des Domherrn. Die Bauten umschlossen einen kleinen Innenhof, in dessen Mitte ein alter, knorriger Apfelbaum stand.

        Vom Grundriss her war das Kurienhaus recht schmal und erstreckte sich länglich in die Tiefe. Es verfügte über zwei Eingänge: das Hauptportal lag am Domkirchhof, doch es gab auch einen rückwärtigen Zugang von der südlich gelegenen Straße aus. Während sich im Erdgeschoss eine repräsentative Diele, Salons, Arbeits- und Speisezimmer sowie Küche und Lagerräume befanden, lagen im ersten Stock die Prunk- und Schlafzimmer der Familie Welmhoff. Im zweiten Geschoss wiederum hatten die beiden Hausdiener, die zwei Mägde und die Köchin ihre Kammern. Auch meine Wenigkeit verfügte hier über ein recht angenehmes Zimmer. Über uns war dann schließlich noch ein zweigeschossiger Dachboden.

        Doch damit sei’s genug der einführenden Vorrede – wenden wir uns nun den Ereignissen des Herbstes 1787 zu …

 


Alles begann mit einem Buch, das eines Tages auf dem Boden des Bibliothek- und Musikzimmers lag. Die an sich völlig bedeutungslose Angelegenheit wurde natürlich erst später in der Rückschau zum Ausgangspunkt all dessen, was in den Wochen danach an merkwürdigen Ereignissen noch folgen sollte. Was ich damit sagen möchte, ist: der Anfang war geradezu alltäglich und banal. Das unheilvolle Geschehen hat sich damals gleichsam still und heimlich in unser aller Leben geschlichen.

        An jenem Tag Mitte Oktober 1787 – laut meinem Tagebuch war es ein Mittwoch – saß ich am Schreibtisch im hinteren der beiden Arbeitszimmer im Erdgeschoss und studierte die umfangreiche Rechnung eines Gewerks von einer unserer Baustellen. Es war am Nachmittag, Seine Hochwürden Herr von Welmhoff hatte sich bereits ins erste Stockwerk begeben, um mit Gemahlin und Tochter den Tee zu sich zu nehmen.

        „Ach je, wie kommt das denn hierher?“, hörte ich Albert, den Hausdiener des Domherrn, hinter mir murmeln. Seine lauten Schritte auf den Holzdielen waren mit einem Mal verstummt. Als ich mich zu ihm umdrehte, sah ich ihn auf halber Strecke zwischen Bibliothek und Arbeitszimmer stehen, ein großes Silbertablett in Händen, beladen mit Tassen und Tellern aus feinem Porzellan. Der Diener war ein hagerer Mann in den Vierzigern mit schütterem Haar, stets korrekt, routiniert und würdevoll. Hier nun schien er zu zögern und blickte mit fragender Miene hinunter auf ein Buch, das mitten im Zimmer aufgeschlagen am Boden lag.

        „Bring nur weiter das Geschirr hinauf zu den Herrschaften, Albert! Ich kümmere mich darum.“ Ich erhob mich vom Schreibtisch und trat durch die offenstehende Flügeltür in den Nachbarraum.

        „Das ist wirklich äußerst gütig von Ihnen. Meinen untertänigsten Dank, junger Herr.“ Der Diener neigte ehrerbietig den Kopf und setzte sich mit dem Tablett wieder in Bewegung. Er ging weiter in die Diele und stieg schließlich die Stufen des Treppenhauses empor, während ich das Buch vom Boden aufhob.

        Das voluminöse Buch von der Größe eines Quart-Bandes war in dunkelbraunes Leder gebunden und lag schwer in der Hand. Mein Blick wanderte über die aufgeschlagenen Seiten. Sie waren eng bedruckt, hier und da stachen verschnörkelte Initialbuchstaben hervor. Angesichts des groben Buchpapiers und der altertümlichen Drucktype mochte das Buch gut und gern hundert Jahre alt sein. Ich klappte den Band zu und betrachtete den Rücken. Dort war in goldgeprägten Lettern zu lesen: Niedergericht Hamburg / Criminal-Sachen / A.D. 1675 – 1689.

        Der Titel sagte mir nicht das Geringste und ich konnte mir ebenso wenig  vorstellen, dass Seine Hochwürden sich womöglich damit beschäftigt haben mochte. Unschlüssig blickte ich mich im Zimmer um und erwog im ersten Moment, das Buch auf den Flügel des in der Raummitte stehenden Cembalos oder auf den Couchtisch der kleinen Sitzgruppe zu legen. Da kam mir indes die Idee, in den Bücherregalen, die über zwei Wände des Zimmers bis hinauf zur Stuckdecke reichten, einmal nachzusehen, ob der Band vielleicht dorther stammte. Auch wenn es unwahrscheinlich schien, mochte das Buch ja unbeabsichtigt – etwa beim Reinemachen – heruntergefallen sein.

        Ich trat also an die Bücherwand und ließ meinen Blick über die langen, eng vollgestellten Regalreihen wandern. Und siehe da, schon nach kurzer Zeit entdeckte ich geradewegs oberhalb des Fundorts des Buches eine auffallende Lücke in der ansonsten dicht geschlossenen Bücherreihe. Zugleich hatten die Bände, die die leere Stelle zu beiden Seiten unmittelbar flankierten, die gleiche Größe und den gleichen dunklen Ledereinband wie das Buch, das ich in der Hand hielt. Als ich näher herantrat, verriet mir die Goldprägung der Buchrücken, dass es sich um ein insgesamt achtteiliges Werk handelte. Jeder Band beinhaltete demnach die Prozesse des Hamburger Niedergerichts eines bestimmten Zeitabschnitts. Das heruntergefallene Exemplar bildete in dieser Abfolge den siebten Teil. Die acht Bände umfassten zusammengenommen das gesamte siebzehnte Jahrhundert.

        Nachdem das Rätsel auf diese Weise rasch gelöst war, beschloss ich, das Buch zurück in die Lücke zu schieben, wo es zweifellos hingehörte. Doch zu meiner Überraschung gelang dies erst, als ich die Bände links und rechts mit etwas Kraftaufwand zur Seite gedrückt hatte. Dieser Umstand schien deutlich meine Annahme zu widerlegen, dass das Buch etwa beim Hausputz durch eines der beiden Hausmädchen zu Boden gefallen war.

        „Junger Herr, die gnädige Frau lässt mich Ihnen ausrichten, dass Sie in einer Viertelstunde den Unterricht des gnädigen Fräuleins beginnen mögen“, unterbrach plötzlich Alberts ruhige Stimme meine Überlegungen. In Gedanken vertieft hatte ich ihn nicht zurückkommen hören.

        „Hab Dank, Albert“, erwiderte ich, „ja, es ist gut.“ Ich wandte mich vom Regal ab und nickte dem Diener kurz zu, der nach einer Verbeugung rasch in Richtung Küche davonging. Offenbar hatte er das auf dem Boden gefundene Buch schon völlig vergessen – aus den Augen, aus dem Sinn.

        Ich warf einen Blick auf die hohe Standuhr, die sich hinter dem Cembalo zwischen den beiden Fenstern an der Wand befand. Auch wenn die Gemahlin des Domherrn stets eine großmütige und friedvolle Hausherrin war, legte sie doch größten Wert auf die Pünktlichkeit ihrer Untergebenen. Die Einhaltung festgesetzter Zeiten beäugte sie höchst wachsam.

        Noch einmal sah ich kurz hinüber zu der Buchreihe im Regal, schüttelte den Kopf und kehrte schließlich wieder zurück ins Arbeitszimmer. Da es sich für die Viertelstunde kaum lohnte, sich noch einmal in die lange Abrechnung des Gewerks zu vertiefen, holte ich aus der Schublade einer Wandkommode ein schmales Büchlein hervor und legte es vor mich auf den Schreibtisch. Es war eine lateinische Ausgabe von Senecas Briefen an Lucilius, die ich mit dem gnädigen Fräulein seit Tagen durcharbeitete. Obwohl die zwölfjährige Anna-Maria von Welmhoff grundsätzlich von einem Hauslehrer unterrichtet wurde, hatte Seine Hochwürden mir aufgetragen, zweimal in der Woche mit seiner Tochter als zusätzliches Lernquantum lateinische Klassiker zu lesen. Dieser Anweisung kam ich mit Freuden nach, war es doch eine große Ehre und Auszeichnung für mich, der Familie diesen Dienst erweisen zu dürfen.

        Als ich die Seiten durchblätterte, um das Lektürepensum für diesen Tag festzulegen, hatte ich den Vorfall mit dem Buch längst vergessen.

Kapitel 2



       Nur zwei Tage später – es war der 19. Oktober 1787 – ereignete sich eine neuerliche Ungereimtheit. An jenem Abend war mir die große Ehre gewährt worden, gemeinsam mit der Familie des Domherrn von Welmhoff dinieren zu dürfen. Dies war eine seltene Auszeichnung, die Seine Hochwürden mir indes alle paar Wochen zuteilwerden ließ. Offenbar war ihm an einem guten Auskommen mit seiner rechten Hand gelegen. Nach dem Diner und einer artigen Konversation im noblen Speisezimmer empfahl ich mich bei den gnädigen Herrschaften schließlich gegen acht Uhr mit dem untertänigsten Dank und den besten Wünschen für eine gesegnete Nachtruhe.

        Als ich hernach durch das vom Kerzenschein der Wandleuchter erhellte Treppenhaus der Kurie nach oben stieg, vernahm ich über mir ein leises Flüstern und Tuscheln. Das konnten nur die beiden Hausmädchen sein, Elsa und Katharina, dachte ich mir. Und in der Tat, als ich das zweite Stockwerk erreichte, auf dem die Zimmer des Gesindes und auch mein eigenes lagen, sah ich die beiden im halbdunklen Gang beieinanderstehen. Die weißen Häubchen auf ihren Haaren und die langen Röcke berührten sich, so dicht steckten sie die Köpfe zusammen. Erst als ich von der Treppe auf die Galerie und in den Flurgang trat, lösten sie sich voneinander, verstummten verlegen und sahen mich auf unsichere, zugleich flehentliche Weise an.

        „Werter junger Herr“, sprach mich Elsa mit besorgt klingender Stimme und großen Augen an, „dürften wir untertänigst darum bitten, einen Moment Ihrer Zeit zu beanspruchen?“ Das blonde Mädchen war mit ihren neunzehn Jahren die jüngere der beiden Hausdienerinnen. Im Unterschied zu der drei Jahre älteren, aber stillen und unscheinbaren Katharina war sie aufgeweckt, strebsam und verbreitete stets beste Laune. Ich mochte sie gut leiden, sofern ich das angesichts des Standesunterschieds bemerken darf.

        „Selbstverständlich“, antwortete ich und musterte die beiden neugierig. „Was gibt’s denn? Kann ich euch helfen?“

        „Zu gütig von Ihnen, Herr Holenius. Ach je, wie soll ich’s nur sagen …?“

        „Einfach frei heraus, Elsa!“ Ich lächelte der Hausdienerin aufmunternd zu, doch sie zögerte. Unsicher warfen sich die beiden Frauen einen Blick zu. „Na, nur keine Scheu, bitteschön.“

        „Mit Verlaub, ich weiß nicht recht, wie ich beginnen soll“, stammelte Elsa und nestelte nervös an ihrer weißen Schürze herum. Zögerlich lugte sie in meine Richtung, so als wollte sie meine Hilfsbereitschaft ausloten. „Nun, also Katharina und ich, wir bemerken im Haus seit jüngster Zeit … Seltsames, das wir uns beim besten Willen nicht erklären können. Vielleicht hätten Sie die Güte, Herr Holenius, uns zu raten, wie damit umzugehen ist?“

        „Du machst es wahrlich spannend …“

        „Nun sag es dem gnädigen Herrn schon, Liebes“, flüsterte Katharina der jüngeren Dienerin zu und drückte ihren Arm.

        „Also gut …“ Elsa schluckte ihre Unsicherheit herunter und richtete sich entschlossen auf. „Kurz und bündig gesagt: Es ist nicht geheuer in der Kurie! Gnädiger Herr, hier geht es nicht mit rechten Dingen zu.“

        „Wie meinst du das?!“ Ich war einigermaßen überrascht, denn mit dieser Richtung des Gesprächs hatte ich nicht gerechnet. Natürlich erschien mir die Aussage völlig haarsträubend. „Unsere Kurie ist ein gesegnetes Haus Gottes, wie könnte es just hier nicht geheuer sein?!“

        „Es spukt auf dem Dachboden, gnädiger Herr …“ Elsa sah mich mit geradezu herausforderndem Blick an. „Jetzt ist es raus.“

        „Ja, bei der heiligen Muttergottes! Wir haben vorhin wahrhaftig Schritte oben gehört“, schaltete sich nun auch Katharina ein. „Jemand lief da über den Dielenboden.“ Sie starrte mich mit durchdringendem Blick an.

        „Das haben wir beide getrennt voneinander gehört, eine jede in ihrer Kammer. Ängstlich haben wir uns hier im Flur getroffen und sind zusammen hinaufgestiegen um nachzusehen. Doch da war niemand …“ Elsa wies auf eine Tür am Ende des Flurs, die zum Wäsche- und Trockenraum führte. Dort stieg eine schmale, steile Treppe hinauf in den zweigeschossigen Dachboden, der eine riesige Lagerstätte für alte Möbel, Hausrat, abgelegte Besitztümer und derlei Dinge darstellte. Da die Kurie über keinen Keller verfügte, war hier seit den ältesten Tagen des Hauses alles Denkbare von den jeweiligen Bewohnern abgestellt – und am Ende wohl meist vergessen – worden.

        „Das ist doch Unfug!“, antwortete ich kurzweg. „Das werdet ihr euch nur eingebildet haben.“ Ich schüttelte den Kopf und musste lachen. Beim Anblick ihrer sorgenvollen Mienen nahm ich mich jedoch zusammen und versuchte, sie zu beruhigen. „Es tut mir leid, ihr beiden, aber es muss ganz gewiss eine vernünftige Erklärung dafür geben.“

        Ein Stück weiter hinten im Gang öffnete sich in diesem Moment eine Tür und der junge Karl, der Hausbursche, trat heraus. Offenbar hatte er uns gehört und war neugierig geworden. Mit einer raschen Verbeugung in meine Richtung trat er kurzerhand zu uns und blickte gespannt in die Runde.

        „Verzeiht, junger Herr, aber welche soll es da geben?“, fragte Elsa, ohne dem neuen Zuhörer Beachtung zu schenken.

        „Nun, vielleicht waren ja der gute Albert oder unsere Köchin droben und sind wieder gegangen, ehe ihr beiden hinaufkamt? Oder Karl hier könnte es doch ebenso gut gewesen sein …“ Ich nickte in Richtung des Hausburschen, der indes sogleich entschieden den Kopf schüttelte.

        „Mit untertänigstem Verlaub, junger Herr, aber das ist kaum möglich.“ Elsa schob kämpferisch ihr Kinn vor und holte tief Luft. „Denn Albert und Hilde sind ja den ganzen Abend schon drunten bei den Herrschaften – Sie werden sie dort eben selbst noch gesehen haben.“

        „Hm, zugegeben …, dennoch gibt es gewiss eine Erklärung.“ Zwar war mein Argument widerlegt, dennoch schüttelte ich entschieden den Kopf. „Das hier ist kein Geisterhaus! Die Kurie ist alt und ihre Balken und Dielen nicht minder. Da knackt und knarrt es nun einmal an allen Stellen ohne Unterlass. Das war es wohl, was ihr gehört habt …“

        „Verzeiht, aber es waren wahrhaftig Schritte und hin und wieder auch ein deutliches Klopfen“, beharrte Elsa. „Und nicht das gewohnte Knarren eines alten Hauses – das kennen wir seit jeher und können es wohl unterscheiden.“ Das Hausmädchen sah mich zögernd an und neigte rasch den Kopf, als wollte sie sich für ihren hartnäckigen Widerspruch entschuldigen. „Die Geräusche sind im Übrigen auch nicht erst heute aufgetreten: Wir beide haben nämlich schon in der gestrigen Nacht ähnlich Seltsames von dort oben gehört. Katharina war davon aufgewacht, kam zu mir herüber und gemeinsam lauschten wir dem seltsamen Treiben. Das war wohl so gegen zwei Uhr in der Früh.“

        „Und nicht nur da droben ist es seltsam …“, fügte Katharina hinzu, wobei sie beinahe flüsterte. Sie drehte sich ein wenig zur Seite und blickte über das Holzgeländer der Galerie hinunter ins Treppenhaus. „Auch beim Hinaufgehen über die Stufen habe ich seit kurzem manches Mal recht nah ein Klopfen oder Pochen vernommen. So als käme es von jenseits der Wandvertäfelung.“

        „Stimmt, hab ich auch gehört“, warf der Hausbursche da ein und nickte mehrmals, so dass seine blonde Mähne hin und her flog. Karl war ein klein gewachsener junger Mann mit kräftigen Schultern und Armen. Als Faktotum des Hauses stand er für Botengänge, körperliche Arbeiten und einfachste Dienste bereit. Er war ein schlichter Bursche, manchmal etwas großtuerisch, im Großen und Ganzen jedoch treu und zuverlässig.

        „Ach, du also auch?“, fragte Elsa, sichtlich überrascht angesichts dieser unerwarteten Bestätigung.

        „Na sicher, seit ein, zwei Tagen oder so geht das jetzt“, erwiderte Karl prompt. Dann verzog sich sein rundes Gesicht zu einem Grinsen. „Aber, ihr einfältigen lieben Mädel, der gnädige Herr Holenius hat Recht: Da ist kein Spuk im Gange nicht! Und damit ihr wieder ruhig schlaft – soll ich euch sagen, was es ist?“ Im überschwänglichen Gefühl vermeintlichen Mehrwissens beugte er sich vor und legte rasch den Arm um Elsas Taille. Doch sie entwand sich dem anzüglichen Griff mit einem abfälligen Schnauben.

        „Sag schon, was du zu sagen hast, ungehobelter Flegel!“

        „Bitteschön, die Dame …“, lachte er und verbeugte sich linkisch, wurde nach einem strafenden Blick meinerseits indes wieder ernst. „Nun, wenn man mich fragt, dann ist es Gottes liebe Tierwelt, die da ihr Unwesen treibt. Hier in der Kurie lebt im Verborgenen allerlei Viehzeug: droben unterm Dach hausen Tauben und überall unter den Dielenbrettern die Ratten. Und jüngst habe ich im Vorratsraum gar einen Marder gesehen. Der wird wohl die Ursache sein.“

        Die beiden Dienerinnen sahen den Burschen an und schienen – wie auch ich selbst – ein wenig überrascht angesichts der einfachen, aber vernünftigen Erklärung. Einen Moment lang herrschte Stille. Elsa und Katherina warfen sich einen zögerlichen Blick zu.

        „Der gute Karl hat wohl Recht“, ergriff ich das Wort. „Wie oft schon hat man gehört, dass sich das Treiben eines Marders im Gebälk anhört, als sei ein Mensch zugange. Ich denke, ihr beiden könnt nun ganz beruhigt sein.“ Ich nickte den Frauen mit einem Lächeln zu. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie der Hausbursche sich derweil voller Stolz aufplusterte.

        „Nun, das klingt in der Tat nach einer Erklärung“, antwortete Elsa, ohne den jungen Kerl auch nur eines Blickes zu würdigen. „Es wird also wohl der Marder gewesen sein. Denkst du nicht auch, Katharina?“ Sie wandte sich der älteren Dienerin zu und ergriff ihre Hand in vertrauter Geste. Katharina nickte nur schweigend.

        „Sehr schön, dass sich das somit hat klären lassen“, lächelte ich in die Runde. „Dann wünsche ich euch allesamt nun eine Gute Nacht.“

        Nachdem ich die Tür meines Zimmers hinter mir zugemacht hatte, hörte ich noch eine Weile leises Getuschel im Gang. Kurz darauf jedoch fielen auch die anderen Zimmertüren ins Schloss und es kehrte Ruhe ein. Ich hing Frack und Weste in den Schrank und legte behutsam das Jabot aus edler Spitze ab, das ich eigens anlässlich des Diners getragen hatte. Dann trat ich ans Fenster, das sich nach vorne hinaus in Richtung des Mariendoms öffnete, und blickte in den dunklen Abendhimmel. Wie ein mahnender Zeigefinger ragte der spitze Turm des Doms über dem wuchtigen Kirchenbau hoch empor. Dahinter war der nicht minder hohe Turm von St. Petri zu sehen und rechts davon auch der von St. Jakobi. Nächtliche Stille legte sich über die Stadt; der düstere Kirchhof zwischen Kurie und Dom war menschenleer.

        Als ich noch einmal zum Domturm hinübersah, erspähte ich in einem der Mittelfenster einen schwachen Lichtschein. Das war die Laterne des Türmers Frahm, der dort droben Feuerwache hielt und am Tag zu bestimmten Stunden die Posaune blies. An diesem Abend fand ich es aus unerfindlichen Gründen beruhigend zu wissen, dass jemand über Dom und Stadt wachte.

 


Am nächsten Tag regnete es in Strömen. Und mit dem schlechten Wetter war zugleich die Kälte nach Hamburg gekommen. War der Herbst bis dahin noch ein goldener gewesen, so zeigte er nun sein ungemütliches Antlitz. Auf dem weiten Kirchhof vor dem Dom riss ein böiger Wind die letzten Blätter von den Zweigen der Lindenbäume und jagte sie durch die Luft. Regentropfen wurden gegen die Fensterscheiben der Kurie gepeitscht.

        Am Morgen hatte Seine Hochwürden der Dienerschaft aufgetragen, die Salons sowie die Arbeits- und Prunkzimmer zu beheizen. Aus diesem Grunde herrschte überall im Hause geschäftige Betriebsamkeit. Während Hausbursche Karl und Diener Albert das Brennholz aus einem Schuppen neben der Remise in Körben und Krippen heranschleppten, entfachten Elsa und Katharina Feuer in den Kaminstellen.

        An diesem Vormittag saßen Domherr von Welmhoff und ich im hinteren Arbeitszimmer am runden Tisch und studierten einen Bauplan, während aus dem angrenzenden Musikzimmer, wo die Gemahlin und Tochter des Domherrn weilten, leise Cembaloklänge zu hören waren. Der Grundriss skizzierte einen großen Holzschuppen, den ein Pächter auf einem Flurstück des Kapitels direkt an der Nordmauer des Domfriedhofs zu errichten plante. Dort standen die zerfallenen Ruinen mehrerer früherer Domgebäude, die seit langem ein Dorn im Auge der Stadt waren. Es waren finstere, schaurige Höhlen, deren verfallene Wände und Decken längst von Dickicht überwuchert waren und wo sich Unrat sammelte. Zudem trieb sich dort oft übles Gesindel herum, weshalb die Bürger den Ort tunlichst mieden. Dem Rat der Stadt waren indes die Hände gebunden, denn dem Domstift vermochte er keinerlei Weisungen zu erteilen. Die Kanoniker waren in Hamburg gleichsam eine Art Fremdkörper, denn sie unterstanden in weltlichen Dingen lediglich der Hannoverschen Regierung. Die Missstände trugen jedenfalls maßgeblich dazu bei, dass das Domkapitel beim Volk allseits sehr unbeliebt war. Über den Dom und sein Umfeld kursierten auch längst dunkle Schauergeschichten.

        Umso mehr schätzte Seine Hochwürden, dem als Struktuar des Kapitels ja das Bauwesen oblag, die vorgelegten Pläne zum Schuppenbau. Zumal der Pächter auch noch anbot, aus eigener Börse den Abriss einer der verhassten Ruinen vorzunehmen. Vielleicht war dies Vorhaben geeignet, den schlechten Ruf des Kapitels ein wenig zu verbessern. Denn aus eigener Kraft vermochte das Domstift nicht, hier etwas zu verändern. Ihm fehlten schlicht die Mittel für die Tilgung der alten Schandflecke – das Kapitel konnte ja kaum den Dom selbst baulich in Stand halten.

        „Ein wunderbares Vorhaben, mein lieber Holenius“, sagte Domherr von Welmhoff und schlug mit der flachen Hand sanft auf den Grundriss „So könnte sich das nördliche Antlitz unserer Domanlage wahrlich verschönern. Und das, ohne dass wir etwas dazu beisteuern müssten.“

        „In der Tat, Hochwürden“, nickte ich, „ein doppelter Gewinn.“

        „Ich möchte, dass Sie dem Löneke mein Einverständnis mitteilen. Er mag mit Abriss und Neubau beginnen, so rasch es ihm möglich ist.“ Der hochwürdige Domherr erhob sich von seinem Stuhl und trat ans Fenster. „Den Kontrakt setzen wir dann umgehend auf, sagen Sie ihm das!“ Er blickte durch die Scheibe in den Innenhof der Kurie, wo der knorrige Apfelbaum einsam im Regen stand. Seine Hochwürden strich sich mit der Hand durchs spärliche Haar, das er stets geschickt über seine Halbglatze drapierte; seine edle Perücke trug er nur noch selten zu besonderen Anlässen.

        Domherr Friedrich August von Welmhoff war damals sechsundvierzig Jahre alt und – ohne despektierlich zu sein – ein eher kleingewachsener Herr mit rundem Bauch und dünnen Beinen. In sein ebenfalls rundliches Gesicht, dessen Haut gerötet und leicht aufgeschwemmt wirkte, hatte das Alter bereits tiefe Falten eingegraben. Auch wenn seine körperliche Erscheinung es nicht zwingend widerspiegeln mochte, so war Seine Hochwürden doch eine starke, machtbewusste und würdevolle Persönlichkeit. Sein Gebaren – gerade auch gegenüber Untergebenen – war stets vornehm und herrschaftlich, ohne indes je despotisch oder ungerecht zu sein. Ehre und Ansehen galten ihm selbst das Höchste, von Familie und Dienerschaft erwartete er Treue und Gehorsam.

        „Jawohl, wie Sie wünschen, gnädiger Herr“, nickte ich, „ich mache mich sogleich auf den Weg.“ Just als ich vom Stuhl aufstand, hörte ich ein dumpfes Geräusch aus dem angrenzenden Musikzimmer, so als ob dort etwas heruntergefallen wäre. Dann erklang plötzlich eine laute, scheußliche Dissonanz des Cembalos zu uns herüber, mit der das bis dahin melodische Spiel abrupt endete. Gleichzeitig ertönte das schrille Kreischen einer Frau, dem kurz darauf noch ein zweiter weiblicher Aufschrei folgte. Die angstvollen Rufe ließen einem förmlich die Haare zu Berge stehen. Zweifellos stammten sie von Mutter und Tochter.

        „Beim Allmächtigen Herrn!“, rief Seine Hochwürden entsetzt, „was ist da los?!“ Mit schnellen Schritten hastete er durchs Arbeitszimmer, riss die beiden Flügeltüren auf und trat über die Schwelle in den Nachbarraum. Ich folgte ihm rasch auf den Fuß.

        Der Anblick, der sich uns hier bot, erklärte indessen nicht im Geringsten, was im Bibliothek- und Musikzimmer kurz zuvor vorgefallen sein mochte. Das gnädige Fräulein Anna-Maria, die zwölfjährige Tochter des Domherrn, saß in kerzengerader Haltung wie erstarrt auf dem Bänkchen vor dem Cembalo. Die Hände krampfhaft vors Gesicht gepresst, lugten gerade noch ihre Augen über die Fingerkuppen hinweg. Wie gebannt fixierten sie etwas über den Flügel hinweg in Richtung der Bücherregale.

        Ihre Mutter wiederum, die gnädige Herrin Charlotte Elisabeth Theresia von Welmhoff, saß regungslos auf dem Sofa am Fenster. Während sie in der linken Hand ein Journal hielt, presste sie die rechte erschrocken an den mit Spitzenborte besetzten Ausschnitt ihres eleganten Kleides. Mit großen Augen sah sie uns beide verängstigt an.

        „Lotte, meine Liebe, was ist hier geschehen?“ Seine Hochwürden blickte alarmiert zwischen Gemahlin und Tochter hin und her. Da sprang das junge Fräulein auf und lief hinüber zu ihrer Mutter. Schluchzend warf sie sich neben sie aufs Sofa und verbarg den Kopf an ihrer Schulter. Sofort ließ die gnädige Frau das Journalheft aus der Hand fallen und nahm ihre Tochter in den Arm. Beruhigend strich sie der Zwölfjährigen über die braungelockten Haare.

        „Das Buch dort … es, es ist verhext!“, sagte Frau von Welmhoff in fast flüsterndem Ton, wobei ihre Stimme vor Aufregung zitterte. Sie hob kurz die Hand vom Kopf ihrer Tochter und wies geradezu anklagend auf ein Buch, das zwischen Regalwand und Cembalo auf den Holzdielen lag. „Es ist plötzlich von selbst aus dem Regal geschwebt und dann herabgesunken. Und als es am Boden lag, haben sich wie von Geisterhand die Seiten aufgeblättert.“

        „Wie bitte?“, fragte der Domherr fassungslos. „Ist das ein Scherz?“

        „Mitnichten, mein Lieber! Ich habe es doch mit eigenen Augen gesehen. Und unser Engel ebenfalls …“ Das Mädchen schluchzte und nickte. Die Mutter nahm sie erneut in den Arm und sah ihren Gemahl an. Frau von Welmhoff war eine üppige, wohlbeleibte Erscheinung, im Wesen jedoch eher zurückhaltend und ohne die fast aristokratische Contenance ihres Gemahls. Sie wirkte meist kränklich und eher sorgenvoll als lebensfroh. Dies spiegelten auch die Züge ihres fülligen Gesichts wider: die Haut war unrein und von ungesunder Blässe, den wässrigen Augen fehlten Tiefe und Schärfe.

        „Das ist doch alberner Unsinn!“, rief Seine Hochwürden, schüttelte den Kopf und lachte laut. „Das habt ihr euch nur eingebildet, meine ängstlichen Häschen. Das Buch ist schlicht aus dem Regal gefallen – wahrscheinlich war es nicht richtig hineingestellt. Und das Aufblättern wird ein Luftzug verursacht haben. Daran ist nichts Verhextes oder Geisterhaftes!“

        „Herr Vater, verzeihen Sie, wenn ich demütigst zu widersprechen wage: die Mutter hat Recht! Das Buch flog ruhig wie ein Vogel ein kleines Stück, ehe es zu Boden sank. Das war gespenstisch, ebenso das langsame Umblättern“, sagte das gnädige Fräulein mit Trotz in der noch weinerlichen Stimme.

        So ging es eine Weile hin und her. Die Damen bestanden gekränkt auf der Wahrheit dessen, was sie erlebt hatten, doch der Domherr wollte von den Beteuerungen nichts hören. Derweil konnte ich aus der Entfernung überrascht erkennen, dass das Buch dort am Boden wohl dasselbe war, das ich drei Tage zuvor an ähnlicher Stelle aufgehoben hatte. Die Größe und der Ledereinband schienen identisch, außerdem klaffte im Regal bei eben jener Buchreihe zu den Niedergerichtsprozessen just dort eine Lücke, wo der siebte Band seinen Platz hatte. Das war einigermaßen verblüffend.

        „Nun ist’s mal genug der Tollerei!“, sagte Seine Hochwürden schließlich echauffiert mit schon leicht gerötetem Antlitz. „Ich habe wahrlich keine Zeit für derlei Späße.“ Er sah die beiden Damen mit vorwurfsvollem Blick warnend an, um offenbar der Debatte ein Ende zu setzen. Dann trat er zur Bücherwand und hob das Buch vom Boden auf. Für einen Moment sah ich verschnörkelte Initialbuchstaben auf den Seiten, dann schlug Seine Hochwürden den Band jedoch abrupt zu. „Die kleine Komödie ist vorüber!“, sagte er säuerlich. Er schüttelte noch einmal in demonstrativem Missfallen den Kopf in Richtung von Mutter und Tochter, die ihn betrübt und verständnislos ansahen. Gleichwohl verzichteten sie darauf, noch einmal das Wort in der Sache zu ergreifen.

        „Hm, Criminal-Sachen des Hamburger Niedergerichts …?“, murmelte der Domherr zögerlich, als er den Buchrücken betrachtete.

        „Ist das Ihr Buch, gnädiger Herr?“, erlaubte ich mir zu fragen.

        „Nein, gewiss nicht, Holenius. Das Werk habe ich noch nie gesehen.“ Er schüttelte den Kopf und drehte den Band nachdenklich in seinen Händen. „Die meisten Bücher unserer Bibliothek sind längst hier gewesen, als ich in diese Kurie gekommen bin. Sie stammen von meinen Vorgängern, die ebenfalls als Kanoniker-Domherren einst hier gewohnt haben. Bei ihrem Tod haben einige Familien die Bücher des Verstorbenen weggeholt, andere indes haben sie hier belassen. Wenn man das Alter des Gebäudes bedenkt, dann ist da auf jeden Fall eine erkleckliche Menge zusammengekommen.“

        Er schlug die erste Seite des Buches vor dem Titelblatt auf. Dort standen in schräger Kursive drei Schriftzüge, die wahrscheinlich einen Namen bildeten, jedoch vollkommen unleserlich waren. „Nun, damit lässt sich wohl nicht mehr herausfinden, welcher damalige Kanoniker ein Interesse an Gerichtsverfahren hatte. Stellen Sie das Buch irgendwo ins Regal, wo Platz ist, Holenius.“ Er drückte mir den Band mit einem abschätzigen Kopfschütteln in die Hände. Für einen Moment überlegte ich da, ob ich ihm erzählen sollte, dass das Buch bereits vorher einmal hier auf dem Boden gelegen hatte. Doch angesichts seiner nicht gerade günstigen Laune verwarf ich den Gedanken.

        „So, nun wieder an die Arbeit!“, sagte er in Richtung der beiden Damen, die sich inzwischen beruhigt hatten. „Und keine weiteren Späßchen mehr, ihr Lieben, bis wir uns nachher zum Dejeuner treffen, ja?!“ Sein Versuch eines Lächelns misslang, mit säuerlicher Miene kehrte er zurück ins Arbeitszimmer.

        Ich ging mit dem Buch sogleich zur Regalwand und schob es erneut mit etwas Mühe zurück in die offene Lücke der Buchreihe. Eine seltsame Sache war das – ob uns da vielleicht jemand einen Streich spielte? Versteckt warf ich einen Blick auf das junge Fräulein. Womöglich hatten Mutter und Tochter sich ja heimlich verschworen, um ein wenig Schabernack mit Seinen Hochwürden zu treiben. Die Erklärung schien mir jedenfalls annehmbarer als die geäußerte Darstellung der beiden Damen selbst. Wie auch immer, auch angesichts der Beobachtungen der beiden Hausmädchen am Vorabend war ich zum ersten Mal ein wenig verunsichert. War vielleicht doch etwas dran an Elsas Aussage, dass es im Haus nicht mit rechten Dingen zuging?

Kapitel 3



       Nach dem merkwürdigen Vorfall mit dem Buch gingen zunächst einige Tage ins Land, an denen das Leben im Kurienhaus seinen gewohnten Verlauf nahm. Das bedeutete für die gnädigen Herrschaften, dass Frau von Welmhoff alles rund um den Haushalt organisierte, ihre Tochter Anna-Maria ihrer schulischen Ausbildung nachkam und der Domherr seine Aufgaben als Struktuar und Mitglied des Domkapitels wahrnahm.

        Letzteres bedeutete indes lediglich, dass er jeden Donnerstagabend an der Kapitelsitzung teilzunehmen hatte, die in der Kapitelstube hinter dem Chor des Doms stattfand. Die frühere Pflicht zum täglichen Chorgebet, wie sie im katholischen Mittelalter des Hamburger Domstifts bestanden hatte, gab es hingegen seit der Reformation nicht mehr. Auch die Seelsorge und Abhaltung sonntäglicher Gottesdienste für die wenigen Gläubigen, die noch den Dom besuchten, waren von den inzwischen protestantischen Domherren auf einen eigens dafür in Dienst gestellten Dompastor verlagert worden. Die Kanoniker konnten sich daher anderen Aufgaben oder Eigeninteressen widmen, was das angesichts des baulichen Verfalls des Doms eh schon angeschlagene Ansehen des Kapitels im Volk noch zusätzlich verschlechterte.

        Seinen Hochwürden jedoch Müßiggang oder derlei nachzusagen, verbot sich völlig. Der Struktuar Friedrich August von Welmhoff versuchte, nicht nur baulich zu retten, was noch zu retten war. Ohne Unterlass war er geschäftig, so dass er für Gemahlin und Tochter oft kaum ansprechbar war. Da er zudem mit Beginn der seltsamen Vorfälle seine Ablehnung und seinen Unmut über derlei Unsinn, wie er es zu nennen pflegte, deutlich äußerte, wandten sich die gnädigen Frauen sowie auch das Gesinde in den folgenden Wochen mit ihrer wachsenden Besorgnis oftmals an mich. Was dazu führte, dass ich die unheimlichen Geschehnisse im Haus nach und nach recht gut zu überblicken vermochte.

        Vier vollkommen unbehelligte Tage waren, wie bereits gesagt, ins Land gegangen, als eines Mittags das gnädige Fräulein Anna-Maria in der offenen Tür des Arbeitszimmers stand und mit vorsichtigem Lächeln an den Rahmen klopfte. „Lieber Herr Holenius, ob ich wohl bitte einen Moment Ihrer Zeit in Anspruch nehmen dürfte? Ich wäre Ihnen sehr verbunden …“