Text: Osbert Burdett

Redaktion der deutschen Ausgabe: Klaus H. Carl

 

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ISBN: 978-1-78310-680-6

OSBERT BURDETT

 

 

 

WILLIAM BLAKE

 

 

 

 

 

 

 

Inhalt

 

 

I. Eine frühe Offenbarung

Kindheit, 1757 bis 1771

Lehrjahre und Heirat – 1771 bis 1787

Die lyrischen Gedichte

II. Poetische Visionen

Poland Street und die frühen Prophezeiungen, 1787-1792

Lambeth

Blakes Vorstellungen von Kunst

Mit Hayley bei Felpham, 1800 bis 1803

III. Die Dämmerung des Propheten

Milton und Jerusalem

Rückkehr nach London, 1804 bis 1809

1810 bis 1818

Verehrung und Tod

Blake und das Streben nach Erhabenem

Bibliographie

Liste der Abbildungen

Anmerkungen

William Blake, David wird aus den Gewässern überbracht,
‘Er ritt auf Cherubim’, um 1805. Stift, Tinte und Aquarell

auf Papier, 41,5 x 34,8 cm. Tate Gallery, London.

 

 

I. Eine frühe Offenbarung

 

 

Kindheit, 1757 bis 1771

 

William Blake starb im August 1827 in Fountain Court, in den Räumen eines kleinen Hauses in einer Gasse abseits des Strand, nahezu unbemerkt, aber beschützt von einem kleinen, nach und nach gewachsenen Kreis von Freunden, bei denen es sich um ihn verehrende junge Künstler handelte, die sich selbst als seine Jünger bezeichneten. Blake weckte bei allen feinsinnigen Geistern, denen es vergönnt war, seine Arbeit und seinen Charakter zu entdecken, großes Interesse. Sein Vermächtnis wurde überall in der Welt verbreitet.

In den Jahren 1828, 1830 und 1832 veröffentlichten J. T. Smith, Allan Cunningham und Frederic Tatham ihre Erinnerungen über den Dichter und Künstler. Seither wuchs das Interesse an Blake beträchtlich; mittlerweile wurden mehrere Bücher über ihn verfasst, und weltweit bemühen sich Museen und Bibliotheken hingebungsvoll darum, seinem Werk ein Zuhause zu geben. Der Kanon von Blakes veröffentlichten Arbeiten ist auch heute noch unvollständig, und es bestehen durchaus Chancen, dass einige seiner bisher unentdeckten Werke der Vergessenheit entrissen werden.

Wir haben in ihm einen Propheten des neunzehnten Jahrhunderts gesehen; der, unabhängig von Chatterton und den Dichtern des Lake Distrikts, ein Vorläufer der Romantik, ein Verfechter des bei Nietzsche – dessen Geist und aphoristisches Betragen demjenigen Blakes auf seltsame Weise ähnelt – begründeten Prinzips der Energie und ein Erneuerer des Geistes der Vergebung war. Blake war ein Dichter, ein Künstler, ein Seher und Exzentriker, dessen späte Schriften Schüler in ihrer eifrigen Suche nach greifbarer und verständlicher Wahrheit quälten. Er bleibt für immer ein Dichter und ein Rätsel; sein Ruf wurde vor allem durch seine übrigen, nicht-künstlerischen Eigenschaften gestärkt.

Über die Geschichte seiner Familie ist wenig bekannt. In dem von Arthur Symons ausfindig gemachten Gemeinderegister gibt es einen Eintrag, der besagt, dass William Blake als drittes Kind von James und Catherine Blake am 28. November 1757 geboren wurde. Sie lebten im Haus 28, Broad Street, in der Nachbarschaft zum Golden Square in London. Die Register belegen des Weiteren, dass der zukünftige Dichter zwei ältere und zwei jüngere Brüder hatte und dass beide, der zweite und der vierte, auf den Namen John getauft wurden. Mr. Symons folgerte, dass der erste John noch vor Vollendung des fünften Lebensjahres starb und sein Name auf den vierten Sohn übertragen wurde, der infolgedessen derjenige gewesen muss, den Blake als „der Böse“ bezeichnete. Der fünfte Sohn ist unter dem Namen Richard eingetragen und war Blakes Lieblingsbruder. Nach diesen fünf Jungen folgte ein kleines Mädchen, Catherine Elizabeth.[1]

Am 11. Dezember, als William Blake vierzehn Tage alt war, brachten ihn seine Eltern zur Kirche St. James’ in Westminster, eine von Christopher Wrens Kirchen; hier wurde Blake gemeinsam mit fünf anderen Kindern getauft. In diesen Tagen wurde auch der italienische Bildhauer Antonio Canova geboren. Blakes künftige Freunde, der englische Maler und Kupferstecher Thomas Stothard sowie der Zeichner und Bildhauer John Flaxman waren gerade zwei Jahre alt und in Bristol lebte als kleiner, fünfjähriger Junge der Dichter Thomas Chatterton.

Die Umstände von Blakes Kindheit sind für uns in einer Anekdote des Tagebuchschreibers Henry Crabb Robinson festgehalten, die erzählt, wie die Ehefrau des Dichters ihm von seiner ersten Vision berichtet. „Das erste Mal, dass du Gott erblicktest,“ soll sie gesagt haben, als William ihr seine sonderbare Fähigkeit beschrieb, „war, als du vier Jahre alt warst. Er legte seinen Kopf an das Fenster und brachte dich zum Schreien.“ Blake war zu diesem Zeitpunkt ein Kind von acht Jahren, als seine Visionen zur Gewohnheit wurden.

Zu dieser Zeit waren Camberwell, Dulwich, Sydenham und Newington Butts noch Dörfer, und ein lebhaftes, in Golden Square wohnendes Kind konnte rasch die offenen Felder Londons erreichen. Auf der Rückkehr von einem dieser Streifzüge rannte Blake nach Hause, um seiner Mutter zu erzählen, dass er den Propheten Ezechiel unter einem Baum gesehen habe. Auch wenn die gute Frau den Jungen für diese Behauptung schlug und zweifellos darüber empört war, dass einer der Propheten für ihr Kind realer scheinen sollte als für sie selbst, empfand sie doch Mitleid mit ihm.

Als Blake ungefähr ein Jahr danach von Peckham Rye mit der Neuigkeit zurückkehrte, er habe einen Baum voller Engel gesehen, und sein Vater ihn für seine Flunkerei auspeitschen wollte, verwendete sich seine Mutter für ihn. Bei einer dritten Gelegenheit, als er an einem leuchtenden Morgen im Frühsommer den Heumachern bei ihrer Arbeit zusah, entdeckte das Kind zwischen ihnen herumtobende engelhafte Wesen.

Uns ist nicht überliefert, wie diese Geschichte zu Hause aufgenommen wurde, doch ist offensichtlich, dass beide Eltern immer größere Notiz von den Eigenheiten des Jungen nahmen und begonnen hatten, sie zu tolerieren. Folglich weigerte sich sein Vater, ihn zur Schule zu schicken, da die Erfahrung gezeigt hatte, dass der junge Blake zur Gereiztheit neigte. Vermutlich gab es zu Hause einige Debatten; seine Eltern, die es aufgegeben hatten, mit der Rute dagegen vorzugehen und Bedenken hatten, ihn zu bestrafen, wollten ihn keinen Fremden anvertrauen, die weniger geduldig und genauso verwirrt waren wie sie selbst. Die Phantasie des Kindes und die impulsive Weise, seine Gefühle auszudrücken, waren die ärgsten Eigenarten, die sie an ihm finden konnten.

Blakes Schulunterricht fand deswegen zu Hause statt, wo er lesen und schreiben lernte, aber nicht mehr. Seine frühreife Dichtkunst zeigt, dass ihm diese Fertigkeiten einfach zugeflogen sein müssen. Überdies scheint es, dass Blake mit seiner lebhaften Phantasie statt der sich unkontrolliert ausbreitenden Umgebung, der religiösen Bildersprache sowie dem Gedankenaustausch mit seinem Vater und dessen Freunden doch eine andere Gesellschaft oder einen anderen Schulmeister benötigte.

Hätte er in seiner Kindheit Latein oder Griechisch studiert, so hätte das ernsthafte Studium der Geschichte und der begleitenden Literatur einen wertvollen Kontrast zu den beschränkten religiösen Interessen in seiner häuslichen Umgebung gebildet: seinem Geist wären eine andere Mythologie und andere Symbole angeboten worden. So, wie die Dinge aber lagen, wurde der exzentrische Einfluss Swedenborgs[2] durch keinen anderen Maßstab zum Vergleich korrigiert. Blakes Vater vermutete in diesem Mangel aber für die Zukunft seines Jungen keinen großen Verlust, da Lesen und Schreiben schließlich ausreichen sollten, um dem älteren Bruder in der Strumpfwarenhandlung der Familie zu helfen, wobei der Vater bestimmt hatte, dass die beiden hierbei ein gutes Paar abzugeben hätten.

William kritzelte und zeichnete auf den Rückseiten der Kundenrechnungen und fertigte Skizzen auf dem Ladentisch an; daher stellte sich bald die Frage, ob er einen guten Strumpfhändler abgäbe und was zu tun sei, falls nicht. Allan Cunningham, der diese Details überliefert, weist auf die andauernden, besorgten Diskussionen und die verschiedenen Standpunkte hin, die von den einzelnen Familienmitgliedern eingenommen wurden, wenn er hinzufügt, dass die Liebe des Jungen zur Kunst „… insgeheim von seiner Mutter unterstützt wurde“, und dass „… Blake im Alter von zehn ein Künstler und im Alter von zwölf Jahren ein Dichter wurde“.

Die Reihenfolge, in der diese beiden Talente sich entwickelten, ist bedeutsam. Die einzig formale Ausbildung, die Blake erhielt, war unvermeidlich für einen Künstler bestimmt, nicht für einen Literaten. Von seinen beiden Neigungen zur Kunst und zur Dichtung wurde die künstlerische kultiviert und die literarische vernachlässigt. Seine Beobachtungsgabe wurde geschärft durch die Betrachtung der Natur, der Menschen auf den Feldern und in den Straßen; seine Phantasie, hierdurch bereits stimuliert, wurde durch das Anschauen von Bildern gestärkt; seine Intelligenz wurde durch religiöse Diskussionen, durch Meinungsaustausch und durch das gänzlich unkritische Lesen von Büchern geweckt.

Nach Aussage einiger Gelehrter zählten zu Blakes Lieblingsstudien Shakespeares Venus und Adonis, Tarquin und Lucrecia sowie dessen Sonette zusammen mit Jonsons Unterholz und seine Sammelbände. Vermutlich begann Blake etwa zu dieser Zeit zu schreiben, aber sein Hang zum Zeichnen war schon früher ausgeprägt, und da es keine offizielle Ausbildung zum Literaten gab, schickte ihn sein Vater, der sich mit Blakes offensichtlichen Wünschen abgefunden hatte, im Alter von zehn Jahren auf eine Zeichenschule, die von Henry Pars, selbst Zeichner und Zeichenlehrer, im Strand geführt wurde.

Die Entscheidung wurde durch die Beobachtungen bestätigt, wie der Junge seine Freizeit verbrachte. Falls er nicht in der ländlichen Gegend herumstreifte oder Zuhause las, besuchte er die für die Öffentlichkeit zugänglichen privaten Bildergalerien oder nahm an Versteigerungen alter Drucke bei Longfords und Christies teil. Longford, sagte Malkin, „… nannte ihn seinen kleinen Kunstkenner und erteilte ihm mit freundlicher Eile oft den Zuschlag für einen billigen Artikel. Er kopierte Raphael und Michelangelo, Martin Heemskerk und Albrecht Dürer, Giulio Romano und den Rest der historischen Künstler und kaufte keine anderen Drucke. Seine Entscheidung wurde von den meisten seiner jugendlichen Gefährten missbilligt, die gewöhnlich über das, was sie seinen ‘mechanischen Geschmack’ nannten, lachten.“

Ach, niemand war da, der die literarischen Vorbilder seines Vaters kritisierte, und die Strenge seines eigenen Geschmacks im Entwurf stand im exakten Gegensatz zu seinem Geschmack in der Literatur. Er änderte nicht eine dieser Einstellungen. „Ich bin glücklich“, schrieb Blake lange danach in seinen Aufzeichnungen für Sir Joshua Reynolds Abhandlungen, „… ich kann nicht behaupten, dass Raphael schon von frühester Kindheit vor mir verborgen war. Ich sah und erkannte sofort den Unterschied zwischen Raphael und Rubens.“ Blake machte die Gleichmäßigkeit zum Götzen und verhinderte somit die Entwicklung und den Einklang seines Geistes. Gilchrist[3] zufolge erlaubten die Versteigerungen Gebote zu drei Pennys (threepenny[4]), und wir brauchen nicht zu raten, wie Blake sein Taschengeld ausgab.

Henry Pars’ Einrichtung war als vorbereitende Schule für die Akademie für Malerei und Bildhauerei in St. Martin’s Lane bekannt, die aus der Incorporated Society of Artists (Eingetragene Gesellschaft von Künstlern) hervorgegangen war und in die er mithilfe des Malers William Hogarth aufgenommen wurde (die Royal Academy begann erst ein Jahr später im Jahre 1768). Die vorbereitende Schule hatte der Maler William Shipley gegründet; und erst nachdem er in den Ruhestand getreten war, hatte Pars sie übernommen.

William Blake, Die Kreuzigung, ‘Siehe,
deine Mutter’, um 1805. Stift, Tinte und Aquarell

auf Papier, 41,3 x 30 cm. Tate Gallery, London.

William Blake, Erbarmen, um 1795. Farbdruck verfeinert mit

Tinte und Aquarell auf Papier, 42,5 x 53,9 cm. Tate Gallery, London.

William Blake, Die Nacht von Emitharmons Freude (auch: Hekate), um 1795.

Farbdruck verfeinert mit Tinte und Aquarell auf Papier,

43,9 x 58,1 cm. Tate Gallery, London.

William Blake, Newton, um 1805. Farbdruck verfeinert mit

Tinte und Aquarell auf Papier, 46 x 60 cm. Tate Gallery, London.

 

 

Dank der Großzügigkeit seines jüngeren Bruders William, ein zur damaligen Zeit sehr gefragter Portraitmaler, hatte Pars zuvor Griechenland besucht, um die dortigen Ruinen zu studieren. Er kehrte mit Mappen voller Zeichnungen zurück, die für seine Schüler zweifellos lehrreich waren, und von den Tipps, die sie enthielten, gewann Blake das fragliche Wissen, dessen er sich später in seiner Karriere so sicher sein sollte. Die Schüler arbeiteten nicht mit lebenden Modellen, sondern mussten von den Gipsabdrücken antiker Modelle Zeichnungen anfertigen. Deswegen gab Blakes Vater seinem Sohn Kopien vom Gladiator, vom Herkules und Botticellis Venus, so dass sein Sohn seine Zeichnungen zu Hause fortsetzen konnte. William war aber auch darauf bedacht, seine kleine Sammlung von Drucken zu erweitern; dafür gab ihm sein Vater kleinere Beträge. Seine Eltern ermutigten und halfen ihm, als sie einmal erkannt hatten, wofür sein Herz schlug und wo seine Talente lagen.

Im Alter zwischen zehn und vierzehn Jahren verbrachte Blake viel Zeit mit Henry Pars, und nach der Schule war er damit beschäftigt, zu zeichnen, Drucke zu sammeln und Bilder anzusehen. Er las viel und hatte offensichtlich damit begonnen, Gedichte zu schreiben. Die Anzeige in den Poetical Sketches (Poetische Skizzen), von seinen Freunden 1783 gedruckt und dem jungen Autor ungebunden übergeben, um sie so zu verbreiten, wie es ihm angebracht schien, besagt, dass sie „… die Produktion natürlicher Jugend, begonnen in seinem zwölften und gelegentlich vom Autor bis zu seinem zwanzigsten Lebensjahr fortgesetzt“ enthält.

Im Alter von zwölf Jahren blieb Blake noch zwei weitere Jahre in Pars’ Schule, und das wunderschöne Lied How sweet I roamed from field to field (Wie leicht ich zog von Feld zu Feld) das, wie Malkin sagte, „… vor dem vierzehnten Lebensjahr geschrieben wurde“, muss daher während seiner Schulzeit geschrieben worden sein. Wenn wir dieses Datum akzeptieren, wurde dieses Lied zum Gedicht seiner Kindheit mit seinen Streifzügen und Visionen, um uns unabhängig an die elisabethanische Lyrik zu erinnern, die der Junge mit Vergnügen gelesen hatte.

Die frühen Werke des Genies wurden ausnahmslos von Erinnerungen inspiriert, von denen Blake nachdrücklich betonte, wie empfänglich er dafür und wie wichtig es ihm war, unter die besten Einflüsse zu kommen. Er hatte in einem auffälligen Maß den Ehrgeiz, jedes seiner ausgewählten Modelle zu übertreffen, und alle seinen Weg kreuzenden Einflüsse wirkten auf seine Arbeit ein. Wäre sein Vater ein Mann mit anderen Geschmacksrichtungen und Swedenborg eine nebensächliche Entdeckung gewesen, so wäre, weil er durch seine Umgebung leicht beeinflussbar war, Blakes Arbeit anders ausgefallen.

Blake schuf viele seine Liebe zur Natur zeigenden Werke unter der Faszination der Elisabethaner, und in seinen frühen Gedichten findet man, zwar etwas verklärt, diese Natur wieder. In seinen Zeichnungen musste er lernen, seine überschwängliche Phantasie zu bändigen. In seinen dem gelegentlichen Lesen seiner Kindheit ausgelieferten Schriften tendierte seine Phantasie zuerst zu mehr traditionellen, altmodischen Themen. Als er diesem frühesten Einfluss entwachsen war, hatte er kein anderes Vorbild als seine eigene Unausgeglichenheit, die ihn leitete. Er war dem Zufall und seiner Einsamkeit ausgeliefert und glaubte, der beste Weg, vorwärts zu kommen, sei, seine Veranlagungen zu pflegen und zu betonen.

Wäre Blake im humanistischen Zeitalter geboren worden, wäre er von einer seiner Vorstellung entsprechenden Schule unterrichtet worden, aber da er sich selbst als einsamer Rufer empfand, beharrte er auf seinen Eigenheiten, als seien sie zusätzliche Tugenden. Das Ergebnis für die Literatur war ein Experiment, das, für sich selbst genommen, nicht nur wegen seiner Begleiterscheinungen gering geschätzt, kaum erfolgreich gewesen wäre. Nur wenige Männer sind in zwei Künsten gleichermaßen erfolgreich, und noch weniger besitzen für beide eine gleichwertige Auffassungsgabe. Falls aber ein Künstler über diese zweifache Fähigkeit verfügt, dann verwundert es nicht, wenn die besser ausgebildete den größeren Glanz erreicht.

Die Poetical Sketches zeigen Blake in seinem einzigen Lebensabschnitt, in dem er die Bücher, die er las, als Kunstwerke betrachtete. Seine künstlerische Leidenschaft hatte sich bereits ins Zeichnen übertragen. In seinen intellektuellen Studien vollständig sich selbst überlassen, wobei die Atmosphäre zu Hause die Eigenheiten seiner Ansichten noch unterstützte, kam er bald an den Punkt, an dem er nur noch las, um seine exzentrischen Auffassungen bestätigt zu sehen anstatt sie zu korrigieren. Seine freiwilliges Literaturstudium endete mit seinem Ausscheiden aus der Schule von Pars.

Später, als Blakes Kindheit vorüber war, las er nur noch, um seine visionäre Erkenntnis zu rechtfertigen, jedoch nicht, um zu lernen, dass man seine Leser am besten erreicht, indem man seine Ideen an ihre Erwartungen anpasst. Vielleicht hätte er, bei günstigeren Umständen in seiner Entwicklung, in der Literatur die gleiche Vollendung wie in der Kunst erlangt, wenn er in der Kunst des Schreibens genauso gründlich unterrichtet worden wäre wie in der Kunst des Zeichnens. Es ist sein Verdienst als Dichter, das Zeitalter der Unschuld und das Erwachen der Reflexion wachgerufen zu haben.

Seine späten Werke waren zum Monument eines Genies in seinem intellektuellen Ruin bestimmt, und vielleicht brauchte es eine intuitive Kraft wie die von Blake, um die Welt daran zu erinnern, dass die Exzesse von Scharfblick und privatem Urteilsvermögen nicht weniger verhängnisvoll sind als der Formalismus, gegen den er protestierte. Er war mit Talent und Fertigkeit perfekt ausgestattet, um die Songs of Innocence (Lieder der Unschuld) zu schreiben, und er war ausreichend gerüstet, um das unmittelbar bevorstehende Zeitalter der Erfahrung vorauszusagen.

William Blake, Illustration für Das Buch Thel, Titelbild, 1789.

Reliefradierung, aquarelliert, 29,6 x 23,2 cm. Houghton Library,

Harvard University, Cambridge, Massachusetts.

William Blake, Illustration für Das Buch Thel, Druckgrafik 4, 1789.

Reliefradierung, aquarelliert, 29,6 x 23,2 cm. Houghton Library,

Harvard University, Cambridge, Massachusetts.

William Blake, Lieder der Unschuld und Erfahrung,
Druckgrafik 1, 1789 und 1794. Reliefradierungen,

Stift und Aquarell, mit Gold nachbearbeitet.

King’s College, Cambridge, Vereinigtes Königreich.

William Blake, Lieder der Unschuld und Erfahrung,
Druckgrafik 3, 1789 und 1794. Reliefradierungen,

Stift und Aquarell, mit Gold nachbearbeitet.

King’s College, Cambridge, Vereinigtes Königreich.

 

 

Dagegen besaß er nicht das Rüstzeug, um für seine tief schürfenden Vorstellungen eine neue Literaturform zu schaffen. So steht er als Warnung da, dass ein Genie, das die Werkzeuge der Tradition und jegliche kritische Ausbildung verachtet, riskiert, für seine Schönheit bestraft zu werden. Sich so wie Blake zu bemühen, das Grandiose zur Basis anstatt zu Krone der Dichtkunst zu machen, bedeutet, das Niedrige dem Ende zu opfern, den Turm zu Babel wieder aufzubauen und die Strafe der Verwirrung auf sich zu nehmen. Anstelle des heroischen Tempels, den er versprach, haben wir nun gewaltige Ruinen, nur weniger bildhaft und künstlerisch als die sichtbaren Konstruktionen, die die Phantasie ehrgeiziger Edelleute auf den Landsitzen der damaligen Zeit betörten.

Selbst in den Poetical Sketches beobachten wir den Konflikt zwischen Blakes wilder Vorstellungskraft und seiner zerbrechlichen Technik. Bevor seine Technik von einer eindringlichen, inneren Botschaft überwältigt wurde, bewegten sich Blakes literarische Talente an ihrem nächsten, kurzlebigen Moment des Gleichgewichts. Zu spezifisch in ihrem Inhalt, können sie nur kurz auf ihre Form und auf unheilvolle Anzeichen seines späteren Verhaltens untersucht werden. Jedes charakteristische Merkmal von Blakes endgültigem Schaffen in der Literatur – seine Musik, seine Magie, das Aufblitzen seiner Phantasie, seine plötzliche, unsensible Art – kann irgendwo oder anders in ihnen wahrgenommen werden. In dem frühesten Lied heißt es:

Wie leicht ich zog von Feld zu Feld

Und schmeckte all des Sommers Blüte,

Bis ich den Fürst der Liebe erblickte

Der in der Sonne Strahlen glitt dahin!

Diese beiden letzten Zeilen sind bereits ein Bild, eine klar umrissene Vision, die für einen Zeichner und Kupferstecher – wie der junge Blake einer werden sollte – wie geschaffen zu sein schienen. Diese malerische Qualität ist charakteristisch für alle Poetical Sketches. Die Metapher wird nicht nur zu einem Symbol, sondern das Symbol ist ein Bild, intensiv genug, um ein eigenes Leben zu besitzen.

Dieses Lied und alle dazugehörigen könnten beinahe zu einem elisabethanischen Liederbuch gehören, wäre da nicht dieser geheimnisvolle Schein, der durch einige übernatürliche Noten der Verzückung aus dem Gedicht mehr als nur ein Lied und weniger als ein Choral macht. Bereits die elisabethanische Klarheit, die natürliche Unschuld des Auges, ist durchzogen mit etwas Entferntem, eine unheimliche Andeutung, viel hintergründiger als die einfachere Zauberei zur Zeit Spensers[5] und ohne Donnes[6] metaphysische Absurdität. Eine Anspielung auf diese Umgestaltung liegt in der dritten Strophe:

Meine Flügel waren nass vom süßen Maitau

Und Phoebus entfachte meine laute Begeisterung;

Er fing mich in seinem seidenen Netz,

Und sperrte mich in seinen goldenen Käfig.

William Blake, Lieder der Unschuld und Erfahrung,
Druckgrafik 5, 1789 und 1794. Reliefradierungen,

Stift und Aquarell, mit Gold nachbearbeitet.

King’s College, Cambridge, Vereinigtes Königreich.

William Blake, Lieder der Unschuld und Erfahrung,
Druckgrafik 2, 1789 und 1794. Reliefradierungen,

Stift und Aquarell, mit Gold nachbearbeitet.

King’s College, Cambridge, Vereinigtes Königreich.

 

 

Die Aura der Verzauberung lässt hier mehr durchblicken als die weiße Magie der Kindheit oder die der elisabethanischen Phantasie. Sie ist ein Schatten im Sonnenlicht einer geheimnisvollen Anwesenheit von der Leere hinter seinen Strahlen. Der Dichter ist bereits von einem Dämon besessen und wird von ihm verwirrt.

Diese Zeilen tragen bereits den Widerhall von Fletcher[7] und Chatterton.[8] Untersuchen wir einen Teil eines anderen Gedichtes, den Mad-Song (Lied des Wahnsinnigen) und seinem schönen Gefährten:

Erinnerung, komm’ hierher,

Und lass’ deinen heiteren Klang ertönen:

Und während auf dem Wind

Deine Musik fließt,

Werde ich über den Strom nachdenken,

Wo seufzende Liebende träumen,

Und nach Phantasien angeln, wenn sie vorüberziehen

In dem wässrigen Glas.

Diese Zeilen lassen mit einer Verworrenheit auf ähnliche Vergleiche schließen, die in der Regel das Zeichen einer erneuerten, nicht einfach ursprünglichen Form ist. Zu dieser Zeit gab es in der englischen Phantasie eine Menge Triebkraft, von der bekannt ist, dass Chatterton ebenfalls von ihr besessen war, obwohl Blake schwerlich vor 1777 von ihm gewusst haben konnte. Sein Sing unto my Roundelay (Sing’ unter meinem Fenster) könnte sein Bruder sein.

Chatterton starb 1770, und die erste Sammlung der „… Gedichte, die vermutlich von Thomas Rowley[9] in Bristol geschrieben wurden“, erschien nicht vor Blakes zwanzigstem Lebensjahr, entsprechend der 1783 gedruckten Anzeige in den Poetical Sketches zu jener Zeit, als die Texte von Blakes frühestem Buch bereits geschrieben waren.

Die Lieder Love and Harmony combine (Liebe und Harmonie vereinigen sich) und I love the jocund dance (Ich liebe den fröhlichen Tanz) sind voller kindlicher Schlichtheit, eigentümlich für Blake, ein unverdorbenes, modernes Kind, das noch in Eden lebt. In den Liedern, die für die vier Jahreszeiten geschrieben wurden, findet man, vielleicht nach dem Lesen von Miltons Einleitung, seine ersten Experimente mit reimlosen Versen. Die zaghafte, vom normalen Maß abweichende Ungleichmäßigkeit dieser Stücke fesselt durch ihre Variation über einen niemals aufgegebenen, jedoch ständig modulierten, rhythmischen Stil.

William Blake, Lieder der Unschuld und Erfahrung,
Druckgrafik 6, 1789 und 1794. Reliefradierungen,

Stift und Aquarell, mit Gold nachbearbeitet.

King’s College, Cambridge, Vereinigtes Königreich.

William Blake, Lieder der Unschuld und Erfahrung,
Druckgrafik 10, 1789 und 1794. Reliefradierungen,

Stift und Aquarell, mit Gold nachbearbeitet.

King’s College, Cambridge, Vereinigtes Königreich.

 

 

Die Eröffnungszeile des Liedes O Winter, Riegel deiner diamantenen Türen ruft ein weiteres Bild wach, das kaum Blakes Gravur benötigt, um als sichtbares Bild vor dem Auge zu erscheinen. In der folgenden Strophe „… dessen Haut klebt / an seinen starken Knochen [und] über die ächzenden Felsen schreitet“, ist wieder die Kreatur der Vater aller Blakeschen Monster, ein Monster, erdacht von einem Schöpfer, der bereits in den muskulösen Körperbau Michelangelos verliebt ist. Diese vier Lieder pausieren am Ende einer jeden Strophe. Jede ist ein Vierzeiler oder ein Sechszeiler, und der Effekt dieser Pause soll bewirken, dass man das Fehlen von Reimen beinahe nicht mehr bemerkt.

To the Evening Star (Dem Abendstern) und To Morning (Dem Morgen) sind leere Verse mit einem magischen lyrischen Unterschied. Nur Fair Elenor (Schöne Elenor) und Gwin, King of Norway (Gwin, König von Norwegen) deuten auf wenig inspirierende Nachahmungen. Die Bewunderung, die Blake später für Ossian[10] bekannte und die wahrscheinliche Auswirkung von Thomas Percys Reliques of Ancient Poetry (1765; Reliquien antiker Dichtung) benötigen nicht mehr als eine vorübergehende Erwähnung. Aufbewahrt in diesen beiden Stücken und in der unvollständigen Karikatur der aktuellen Mode, genannt Blind Mans Buff (Schlag des Blinden), reichen Blakes Poetical Sketches eher über sein Zeitalter hinaus, als dass sie dessen Produkt sind.

Die Muse wuchs mühsam durch die Aufhebung des formalen Versmaßes. Sie wollte sich frei fühlen von den Banden des Reimpaares, um zu spielen, zu tanzen, um noch einmal in Begeisterung zu geraten. Sie beneidete die Elisabethaner um ihre wilde Energie, ihren verwegenen Geist, die einfache Anmut ihrer Lieder, ihre natürliche Musik, zu der sie sich wendet, wie der Stadtbewohner es tut, wenn er die staubige Stadt verlässt, um die grünen Hügel hinaufzusteigen. Zwischen sie und den Sängern Jakobs I. war die Reformation gekommen, und sie konnte die Freude des Humanisten am natürlichen Leben in der Welt, die wir kennen, im einfachen Vergnügen der gesunden Sinne nicht wiedererlangen.

Die alte Ordnung des Glaubens wurde von Zweifeln erfüllt, von Tatsachen, von Wissenschaft. Energie wurde durch Begeisterung ersetzt, und nur wenige akzeptierten die Freude noch länger in sichtbarer Schönheit, ausreichend, um die Wünsche des Herzens zu ersticken. Das gute, das alte England war für immer verschwunden und die Menschen spürten eine Last auf ihrer Seele, eine Last, die die alten Litaneien verzauberte, auch wenn sie von denen gespielt wurden, die das meiste Vergnügen an ihnen hatten. Der Wunsch, auszubrechen, war das Motiv der kommenden Dichtkunst. Blake verließ das achtzehnte Jahrhundert in der wunderschönen Kritik, die in seiner eigenen Huldigung To the Muses (An die Musen) steckt:

Ob du im Himmel makellos umherschreitest,

Oder auf den grünen Ecken der Erde,

Oder in den blauen Regionen der Luft

Wo die melodischen Winde geboren werden;

Wie hast du die einstige Liebe verlassen

Die Barden allein an dir liebten!

Die trägen Saiten bewegen sich schwer!

Der Laut ist erzwungen, der Noten sind wenige.

Wir spüren, dass Blind Mans Buff Blake davon überzeugte, dass er mit dem Reimpaar des achtzehnten Jahrhunderts nichts anfangen konnte, bis er sein langweiliges Tempo nicht in einen schnellen Rhythmus umgewandelt und sein Ziel von prosaischer Realität zu einem gewissen immer währenden Evangelium des poetischen Lebens geändert hätte. Doch dafür war die Zeit noch nicht gekommen. Er ist weniger unglücklich in seinem Imitation of Spenser (Nachahmung von Spenser), selbst wenn die zweite Zeile „Zerstreust die Strahlen des Lichts und traust den Strahlen“ genauso holprig auf Edmund Spenser gewirkt haben könnte, wie wir es von seinen gleichartigen Werken von jenen kennen, die sich für den Abdruck der Poetical Sketches entschuldigten.

Die beiden Lieder, die uns in My black-eyed maid (Mein schwarzäugiges Mädchen) einführen, gehören wahrscheinlich zu den spätesten der Sketches; in ihnen erscheint die Liebe – oder vielmehr die Erwartungen eines Jungen an die Liebe in der Gesellschaft einer Frau – zum ersten Mal. Der Zauber einer Freundschaft zwischen einem Jungen und einem Mädchen, die Freude, die bei gemeinsamen Landspaziergängen aufkommt, wird in diesen Zeilen wiedergegeben:

Wenn sie spricht, so höre ich die Stimme des Himmels;

Wenn sie geht, kommt nichts Schmutziges in ihre Nähe.

Jedes Feld erscheint wie Eden und jede Stille weicht zurück;

Jedes Dorf scheint ein Ort heiliger Füße zu sein.

Wie jungenhaft dies alles ist: diese Romanze, die vor Vergnügen überquellen könnte, aber kaum ihren Gruß oder ihr ‘Auf Wiedersehen’ stammelt! Da liegt genauso viel Unschuld wie Unerfahrenheit in ihr, und wir kennen es wegen des erlösenden Momentes eines unangenehmen Alters.

Es wurde genug zitiert, um uns völlig unberechenbar an das Versprechen von Blakes erstem gedruckten Buch zu erinnern; genug, um zu zeigen, dass er seinen Einflüssen ausgeliefert war. Hinsichtlich der Schönheit, Frühreife und Seltsamkeit kann nur Chatterton mit ihm verglichen werden, der im Alter von siebzehn Jahren starb. Chatterton übertraf ihn in Frühreife, da der Junge aus Bristol sich mit einer Kunst zufrieden gab, wohingegen Blake die Literatur bereits verlassen hatte, als er seine Kräfte für die Zeichnungen unter Beweis gestellt hatte, auf die er den größeren Teil seiner Ausbildung verwendet hatte.

 

Lehrjahre und Heirat – 1771 bis 1787

 

Blake verließ die Zeichenschule im Alter von vierzehn Jahren, um bei dem Graveur James Basire[11] eine formelle Ausbildung zu beginnen und diesen Beruf zu seinem eigenen zu machen. Die meisten der Poetical Sketches müssen während dieser Ausbildung geschrieben worden sein. Wir haben uns nicht nur deswegen bereits teilweise mit ihnen beschäftigt, weil die frühesten von ihnen in der Zeichenschule geschrieben wurden, sondern hauptsächlich, um aufzuzeigen, was aus seiner Schriftstellerei hätte werden können, wenn er seinem Talent der Dichtkunst und der Literatur gefolgt wäre. Wie auch immer, Schreiben wurde zu der Erfüllung seiner privaten Freizeit, und wir wenden uns Frederick Tatham[12] zu, um zu sehen, wie Blake erschien und wie er seine Ausbildung bei Basire absolvierte:

„Seine Liebe zur Kunst wuchs, und als das Alter gekommen war, in dem man es für notwendig erachtete, ihn einem Lehrer anzuvertrauen, suchte man einen berühmten Maler, und die notwendigen Anfragen wurden gemacht. Aber angesichts der erforderlichen hohen Entlohnung für den Lehrmeister bat er in seiner charakteristischen Großzügigkeit darum, dass sein Vater ihm auf keinen Fall so viel Geld geben sollte, da er meinte, dass dies seinen Brüdern und Schwestern gegenüber eine Ungerechtigkeit darstelle. Deswegen dachte er selbst, dass das vorgeschlagene Gravieren weniger teuer und für seinen zukünftigen Beruf zur Genüge annehmbar wäre. Darum lernte er von Basire für einen Lohn von fünfzig Guineas die Kunst des Gravierens.“

Alle Ideen bezüglich des Strumpfladens wurden aufgegeben und der Junge wurde, falls wir J. T. Smith glauben können, „… als ‘Trottel’ vom Ladentisch weggeschickt“. Dennoch schien Blakes Vater seinen Sohn weiterhin unterstützt zu haben. Zuerst brachte er ihn zur Arbeit bei Ryland[13], der die Punktiertechnik in England einführte und später zum Graveur des Königs wurde. Blake hat Ryland offenbar nicht gemocht, denn als er dessen Atelier verließ, bemerkte er: „Vater, ich mag das Gesicht dieses Mannes nicht; es sieht aus, als lebte er, um gehängt zu werden.“ Zwölf Jahre später, als Ryland in Schwierigkeiten geraten war, beging er eine Fälschung auf Kosten der East India Company und wurde zum Tod durch den Strang verurteilt.

Blakes Vater folgte den Wünschen des Jungen und übergab ihn sofort James Basire, dem bekanntesten von vier Graveuren, der sein Geschäft in der 31, Great Queen Street hatte und beruflich durch die Gesellschaft der Antiquitätensammler unterstützt wurde. Er war, als Blake sein Lehrling wurde, einundfünfzig Jahre alt und wurde von William Hogarth und vielen anderen hochgeschätzt. Basire hatte in Rom studiert und wurde besonders für seinen Trockenstil bewundert, der ihn zweifelsohne an jene wie etwa die Gesellschaft der Antiquitätensammler empfahl, die sich mit antiken Denkmälern beschäftigten.

Tatsächlich waren Basires wichtigste Gönner Antiquitätensammler, die allen Grund hatten, die Präzision seiner Platten zu schätzen. Basires schlichter Stil festigte Blakes sturem Beharren auf einfachen Formen und exakten Umrissen in allen Zeichnungen. Er war ein guter Lehrer und ein liebenswerter Meister, und die sieben Jahre, die Blake mit ihm verbrachte, waren außergewöhnlich formend. Blakes übersprudelnde Phantasie akzeptierte diesen kontrollierenden Einfluss, ohne den seine Ausführung niemals in gleicher Weise seiner kreativen Gestaltungskraft entsprochen hätte.

Der Junge erwies sich als fleißiger und geschickter Schüler, der bald lernte, zur Zufriedenheit Basires zu kopieren, welche Arbeit es auch immer auszuführen galt. Auch das Geschäft bot seine spannenden Momente, denn es wurde von allen möglichen Menschen besucht, einschließlich Emanuel Swedenborg, der nun bis zu seinem Tod im Jahre 1772 in London lebte. Die Begegnung mit diesem berühmten Romancier ist der einzige extern festgehaltene Vorfall der ersten drei Blake’schen Jahre bei Basire, ein zwar zufälliges, aber eminent wichtiges Ereignis, das Blakes ruhigen Lebenslauf unterbrach, nachdem er zwei Jahre lang in dem Geschäft gearbeitet hatte.

Es gab, so wird berichtet, neben Blake noch weitere Lehrlinge, und die Harmonie am Arbeitsplatz hing von der Ruhe ab, mit der die Jungen zusammenarbeiteten. Im Jahr 1773 kamen zwei neue Lehrlinge an, die die regelmäßigen Kontroversen mit Blake genossen, bei denen es um „… die Erörterung intellektueller Streitfragen“ ging. Diese Zankereien verursachten störende Szenen, und wenn, laut Malkin[14], Blake sich weigerte, zusammen mit seinem Meister gegen seine Mitlehrlinge Partei zu ergreifen, so war Basires freundlicher Kommentar: „Blake ist zu schlicht, und sie sind viel zu gerissen.“

Um die notwendige Harmonie wieder herzustellen, ohne eine Partei zu benachteiligen, schickte Basire dann Blake, bei dem er sich darauf verlassen konnte, dass er dieses Privileg nicht missbrauchte, nach draußen, um die gotischen Statuen in Westminster Abbey und anderen alten Kirchen zu zeichnen; Statuen, die Basires Gönner, die Antiquitätensammler, jederzeit graviert haben wollten. Blake verbrachte den Sommer damit, diese Zeichnungen anzufertigen und manche Stunde im Winter, um sie zu gravieren. Verloren in den Ecken dieser alten Kirchen wurde Blakes romantische Phantasie vollständig gotisiert, und er verschloss von da an seinen Geist für jeden anderen Einfluss oder er interpretierte ihn im Licht dieser Eindrücke, für die er unbewusst durch die religiöse Atmosphäre zuhause vorbereitet worden war.

Man muss sich nur vorstellen, Blake wäre im gleichen Alter von Westminster Abbey aus in die Ruinen des Parthenon versetzt worden, wie er dann die Straße nach Piräus hinuntergeht, um bei einem Bildhauer in die Lehre zu gehen, der sich mit klassischen Studien beschäftigte. Wie hätte dann seine Entwicklung ausgesehen? Man muss zugeben, dass seine Zukunft eine ausgemachte Sache war, wie sie es für jeden genialen Jungen sein kann.

William Blake, Lieder der Unschuld und Erfahrung,
Druckgrafik 14, 1789 und 1794. Reliefradierungen,

Stift und Aquarell, mit Gold nachbearbeitet.

King’s College, Cambridge, Vereinigtes Königreich.

William Blake, Lieder der Unschuld und Erfahrung,
Druckgrafik 7, 1789 und 1794. Reliefradierungen,

Stift und Aquarell, mit Gold nachbearbeitet.

King’s College, Cambridge, Vereinigtes Königreich.

William Blake, Lieder der Unschuld und Erfahrung,
Druckgrafik 28, 1789 und 1794. Reliefradierungen,

Stift und Aquarell, mit Gold nachbearbeitet.

King’s College, Cambridge, Vereinigtes Königreich.

William Blake, Lieder der Unschuld und Erfahrung,
Druckgrafik 17, 1789 und 1794. Reliefradierungen,

Stift und Aquarell, mit Gold nachbearbeitet.

King’s College, Cambridge, Vereinigtes Königreich.

William Blake, Lieder der Unschuld und Erfahrung,
Druckgrafik 29, 1789 und 1794. Reliefradierungen,

Stift und Aquarell, mit Gold nachbearbeitet.

King’s College, Cambridge, Vereinigtes Königreich.

 

 

Aber Blake traf nie einen Menschen mit so leidenschaftlichen Gefühlen wie seine eigenen, nie einen, der nicht von dieser exzentrischen Art war, einen Häretiker, einen Revolutionär oder einen Astrologen. Nie kreuzte ein Humanist seinen Weg, und die Zahmheit des einen Dichters, mit dem er ständig in Kontakt stand, verleitete ihn dazu, seine Veranlagung zum Götzen zu erheben.

Außer für seine jungenhafte Bekanntschaft mit der jakobinischen Dichtung, mit den antiken Formen, die er unter Henry Pars zu zeichnen gelernt hatte, war Blakes Jugend ausschließlich durch romantische oder theologische Einflüsse geprägt. Da ihm das Romantische zusagte, konnte er es sich erlauben, mit klassischen und humanistischen Traditionen über Kreuz zu liegen. Es ist interessant, darüber nachzudenken, wie die Auswirkungen gewesen wären, wenn das Beispiel von Michelangelo erfolgreich gewesen wäre, durch die griechischen anstatt durch die gotischen Meister inspiriert zu werden. In den sonnenbeschienenen Räumen zwischen den Säulen eines griechischen Tempels, in dem Leben unter freiem Himmel, das die griechischen Statuen reflektieren, hätten Blakes Visionen eine ganz andere Form angenommen als die, die sich in den dunklen Innenräumen der gotischen Kirchen durchsetzte.

Alle die Figuren, die die Menschen düster und traurig darstellen, sind wie Geister in einer höhlenartigen Unterwelt, während die Götter und Helden der klassischen Bildhauerei so, wie sie auf ihren Sockeln stehen, sich ihrer Gesundheit und der Kraft des Sonnenlichts erfreuen. Die Entwürfe Blakes wollten das klassische Fundament, und seine Schriften lassen die klare Schönheit der klassischen Literatur völlig vermissen, die er mit der von ihm verachteten akademischen Kunst identifizierte. Es gibt in der romantischen Literatur keine klassische Form, obwohl in der romantischen Kunst die gotische Schlichtheit ganz dicht davor war, ihren Platz einzunehmen. Die Umstände ließen Blake den Weg des geringsten Widerstandes wählen, und in der Abbey, in der er, nach Malkin, „… beinahe selbst zu einem gotischen Monument geworden wäre“, wurde er davon völlig gefesselt.

Selbst in diesen Grenzen wurden die Unterbrechungen, auf die er im Geschäft stieß, nicht vertrieben. Obwohl Blake mit den anderen Lehrlingen nichts zu tun hatte, belästigten ihn die Schuljungen von Westminster. Tatham sagt, dass „… er in der Heftigkeit seines Ärgers, völlig erschöpft von den Unterbrechungen, einen der Jungen vom Gerüst herunterwarf“ und anschließend beim Dekan eine formelle Beschwerde einreichte. Der Träumer erwies sich durch diese Handlung als wahrer Mystiker, denn außergewöhnlicher Scharfblick und entschlossene Handlung ist die Kombination der Qualitäten, für die die große Mystik bekannt ist. Der Widerspruch ist manchmal so erschreckend, dass das Leben großer Mystiker die Beobachter verwirren, die sie nicht verstehen. Der Zorn des Narren ist die schreckliche Manifestation der gerechten Wut in einem Herzen voller Frieden und Freundlichkeit.

William Blake, Illustration für Die Vermählung von
Himmel und Hölle, Titelbild, um 1790. Reliefradierungen,

Farbdruck, Stift und Aquarell, 20,9 x 17,9 cm.

The Morgan Library & Museum, New York.