Über Walter-Jörg Langbein

Walter-Jörg Langbein, 1954 geboren, hat evangelische Theologie studiert, bevor er freier Autor wurde. Er hat zahlreiche Sachbücher zu den Themen Religion und Bibel geschrieben. Im Aufbau Taschenbuch Verlag erschienen von ihm: »Das Sakrileg und die heiligen Frauen« sowie »Lexikon der biblischen Irrtümer«. Im Verlag Rütten & Loening legte er mit »Die Geheimnisse der sieben Weltreligionen« einen umfassenden Blick auf die großen Glaubensbekenntnisse vor.

Informationen zum Buch

Walter-Jörg Langbein gibt einen breiten Überblick über die vielen Gottesbilder der Religionen. Vom Vielgötterglauben der Urzeit bis zum Eingottglauben, vom Judentum und Christentum bis zum Islam und Buddhismus zeichnet der bekannte Religionswissenschaftler nach, wie der Mensch Orientierung sucht. Er erklärt aber auch, warum der persönliche Glauben bis heute so wichtig ist.

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Walter-Jörg Langbein

Eine kurze Geschichte von Gott

Von der Vorzeit bis heute

Für

meine Frau Barbara Kern,

Ingeborg Diekmann,

Carola Gronemann-Habenicht,

Juliane Nagel,

Heidi Stahl

und

Gabriella Wollenhaupt

Inhaltsübersicht

Über Walter-Jörg Langbein

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1. Am Anfang: Rahab aus dem Meer und die Göttin von Minos

2. Es werde Licht: Vom Sonnengott Aton zu Jahwe

3. Aber die Schlange war listiger: Gott, der Teufel und die Engel

4. Die Messiasse des Alten Testaments und Jesus

5. Vom Widerstand zur Weltreligion

6. Gott, die Frau und die Gleichberechtigung

7. Wie viele Chancen hat der Mensch?

7½. Das wahre Sakrileg

Last not least: Ein dickes Dankeschön

Literaturverzeichnis

Impressum

1. Am Anfang: Rahab aus dem Meer und die Göttin von Minos

Bevor Gott Jahwe zum Schöpfergott wurde, herrschte die Göttin. Als Monster taucht sie im Alten Testament auf. Jahwe musste sie erst besiegen, bevor er das Paradies, Adam und Eva kreieren konnte. Die Göttin unterlag Gott, aber ihre Spuren finden sich noch in der Bibel und bei archäologischen Ausgrabungen. Luther verfälschte die Bibel, um die Erinnerungen an die Göttin verschwinden zu lassen. Für viele ein Sakrileg: Jahwe teilte sich das Allerheiligste im Tempel mit einer Göttin, gemeinsam hatten sie eine Tochter. Jahrtausendelang herrschte die Göttin: im Heiligen Land wie in Europa.

Meeresgöttin und Himmelskönigin

Wie beginnt die Geschichte von Gott in der Bibel? Die Antwort meinen selbst Atheisten zu kennen, die gewöhnlich die Bibel nicht lesen (1. Buch Mose, Kapitel 1, Verse 1–3): »Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe. Und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser. Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.«

Versteckt – und selbst Theologen oft unbekannt – findet sich im Alten Testament ein älterer Anfang der Geschichte von Gott. Bevor Gott mit der Schöpfung beginnen konnte, musste er erst Rahab besiegen (Hiob, Kapite 26, Vers 12): »Durch seine Kraft hat er das Meer erregt, und durch seine Einsicht hat er Rahab zerschmettert.«

Wer oder was aber war Rahab?

Diverse Lutherausgaben der Bibel erklären in Fußnoten, Rahab sei »der Drache der Urzeit« gewesen. Und in der Tat: Der Prophet Jesaja umschreibt Rahab als Drachen. Jesaja appelliert an Gott (Jesaja, Kapitel 51, Vers 9): »Wach auf, wach auf, zieh Macht an, du Arm des Herrn! Wach auf, wie vor alters zu Anbeginn der Welt! Warst du es nicht, der Rahab zerhauen und den Drachen durchbohrt hat?«

Der versteckte Schlüssel zum Geheimnis um Rahab findet sich gleich zu Beginn des Alten Testaments. Allerdings muss man den Text gründlich im hebräischen Original untersuchen. In der Übersetzung heißt es wenig aussagekräftig (1. Buch Mose, Kapitel 1, Vers 2): »Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe.« Nimmt man das hebräische Original aber wörtlich, lautet der zweite Teil des Verses: »Finsternis lag auf dem Antlitz von Tehom.«

Tehom lässt sich auf uralte babylonische Mythologie zurückführen. Sie wird oft als Meeresdrachen bezeichnet, war aber ursprünglich die Meeresgöttin.

Die biblische Geschichte vom Kampf Gottes gegen Rahab ist die Kopie einer älteren Vorlage. Das Original steht in der babylonischen Geschichte von Gott: Schöpfergott Marduk muss erst Tiamat besiegen, damit er den Kosmos erschaffen kann. Jahwe, der biblische Gott, entspricht dem babylonischen Gott Marduk, Rahab ist die hebräische Variante der babylonischen Meeresgöttin Tiamat. In Rahab lebt also die Göttin des Meeres weiter. Das Alte Testament verdrängt weitestgehend die Erinnerung an die Göttin, die vor Jahwe geherrscht haben muss. Wie sich die Bilder doch gleichen: Viele Jahrhunderte vor Niederschrift des Alten Testaments verehrte man Baal, den Bezwinger des Meeresmonsters Yam.

Die Göttin musste aus religiösen Texten gestrichen werden, viele ihrer Anhänger verehrten sie aber weiter. Im Heiligen Land wurde sie noch im 6. Jahrhundert v. Chr. als »Himmelskönigin« angebetet. Der Prophet Jeremia prangert das wütend an (Kapitel 7, Verse 17 und 18): »Siehst du nicht, was sie tun in den Städten Judas und auf den Gassen Jerusalems? Die Kinder lesen Holz, die Väter zünden das Feuer an, und die Frauen kneten den Teig, dass sie der Himmelskönigin Kuchen backen.«

Was Jeremia ganz besonders erzürnt haben muss: Es waren nicht einige unbedeutende Frauen, die den Kult um die Himmelskönigin am Leben hielten. Sie vertraten als Kultangestellte einen wichtigen Teil des öffentlichen religiösen Lebens, in dessen Mittelpunkt der Tempel in Jerusalem stand! Die Himmelskönigin spielte, auch wenn das von den Jahwe-Priestern alles andere als gern gesehen wurde, nach wie vor eine zentrale Rolle im religiösen Leben des Volkes.

An anderer Stelle wird beim Propheten Jeremia klar, dass es sich bei den Verehrern der Himmelskönigin nicht um eine sektenhafte kleine Gruppe, sondern um eine Massenbewegung gehandelt haben muss. Männer und Frauen bekannten sich, der offiziellen Jahwe-Religion trotzend, zur Himmelskönigin – und das ganz offensichtlich in großer Zahl (Der Prophet Jeremia, Kapitel 44, Verse 15 und 17): »Da antworteten dem Jeremia alle Männer, die sehr wohl wussten, dass ihre Frauen anderen Göttern opferten, und alle Frauen, die dabei standen, eine große Menge (…): Wir wollen all die Worte halten, die aus unserem Munde gekommen sind, und wollen der Himmelskönigin opfern und ihr Trankopfer darbringen, wie wir und unsere Väter, unsere Könige und Oberen getan haben in den Städten Judas und auf den Gassen Jerusalems.«

Dankbarkeit empfinden die Menschen für die Himmelskönigin (Der Prophet Jeremia, Kapitel 44, Verse 17 und 18): »Da hatten wir auch Brot genug, und es ging uns gut, und wir sahen kein Unglück. Seit der Zeit aber, da wir es unterlassen haben, der Himmelskönigin zu opfern und Trankopfer darzubringen, haben wir an allem Mangel gelitten und sind durch Schwert und Hunger umgekommen.«

Frauen sind es, die den uralten Kult der Himmelskönigin aufrechterhalten, das aber – darauf weist der Text beim Propheten Jeremia ausdrücklich hin – im Einverständnis mit den Männern (Vers 19): »Und wenn wir Frauen der Himmelskönigin opfern und Trankopfer darbringen, das tun wir ja nicht ohne den Willen unserer Männer, wenn wir ihr Kuchen backen, um ein Bild von ihr zu machen, und ihr Trankopfer darbringen.«

Die Göttin wird besiegt

Offenbar gehörten Frauen wie Männer zur Gemeinde der Himmelskönigin. Der Text macht keine Angaben darüber, aus welchen Volksschichten oder Altersgruppen diese Anhänger der Göttin stammten. Daraus kann man wohl ableiten, dass Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher sozialer Gruppen der Himmelskönigin huldigten. In der offiziellen Berichterstattung der Bibel aber wurde Jahwe zum Sieger über die Göttin gemacht. Es dauerte allerdings viele Jahrhunderte, bis sich Jahwe auch wirklich durchsetzte. Erhalten blieben Spuren der Göttin in der Bibel, sehr zum Verdruss der jahwetreuen Autoren des Alten Testaments, die mit ihren Schriften den alleinigen Herrschaftsanspruch Jahwes als einziger Gott untermauerten.

Zwei Jahrtausende später wollte Martin Luther diese Hinweise verschwinden lassen. Der Reformator verfälschte im 16. Jahrhundert konkrete Aussagen über die ganz zentrale Bedeutung der Himmelskönigin durch kurios anmutende Übersetzungen. Der Reformator produzierte einige an sich unverständliche, ja unlogische Bibelaussagen, nur um die Spuren der Himmelskönigin zu verwischen. Martin Luther duldete nur einen Gott im Zentralheiligtum in der Heiligen Stadt Jerusalem. Die Himmelskönigin hatte da nach seinem Verständnis nach nichts zu suchen, auch wenn der Originaltext im Hebräischen Jahwe und die Himmelsgöttin als Paar im Tempel von Jerusalem beschrieb!

Luthers Übersetzungen in Sachen Aschera sind offensichtlich falsch, weil sinnlos. Warum fiel das bei der Drucklegung der Bibel nach Luther im 16. Jahrhundert niemandem auf? Wie eklatant Luthers Verfälschungen sind, verdeutlicht ein Vers aus den Königsbüchern. Bei Luther hieß es da anno 1545 (Das 2. Buch der Könige, Kapitel 23, Vers 6 in der Übersetzung Luthers von 1545, in angepasster Rechtschreibung): »Er (Josia) ließ den Hain aus dem Hause des Herrn führen«. Mit dem »Haus des Herrn« war das Zentralheiligtum des Judentums, der Tempel in Jerusalem, gemeint. Nach Luther wurde aus dem Tempel ein Hain, also ein Wald, »weggeführt«. Natürlich gab es zu keiner Zeit im Allerheiligsten des Tempels so etwas wie einen Wald. Ein Blick in den hebräischen Originaltext klärt den Sachverhalt: Entfernt wurde eine Aschera-Statue.

Das aber war in den Augen Luthers ein echtes Sakrileg: Ganz offensichtlich stand im Allerheiligsten des Tempels von Jerusalem eine Statue der Aschera. Ein pikantes Detail: Ascheras Statue wurde sonst eigentlich mit einem anderen Gott in Verbindung gebracht, mit Baal. Darauf weist ein kurzer Text im Alten Testament hin, den Luther nach bewährter Manier manipulierte.

Wieder arbeitete Luther mit dem gleichen »Fehler« (Buch der Richter, Kapitel 6, Verse 25 und 26 in Luthers Übersetzung von 1545, hier der heutigen Rechtschreibung angepasst): »Und zerbrich den Altar Baals … und haue ab den Hain, der dabeisteht.« Von einem »Hain«, also einem Wäldchen, ist im Original nichts zu finden. Falsch übersetzt Luther weiter: »Und baue dem Herrn, deinem Gott … einen Altar und opfere ein Brandopfer mit dem Holz des Hains, den du abgehauen hast.« Es wurden im hebräischen Originaltext weder Bäume gefällt noch verbrannt, sondern eine Statue der Göttin Aschera.

Jahwe wurde von der Priesterschaft bereits als Sieger propagiert, als die Göttin noch recht angesehen war. In der Realität des Alltags gab es noch lange Zeit keine einheitlich konsequente Haltung der Obrigkeit gegenüber Aschera. Die einen ließen ihre Statue aus dem Tempel von Jerusalem entfernen, andere ordneten ihre Verbrennung an, und wiederum andere duldeten zumindest ihren Kult. In Luthers Übersetzung von 1545 heißt es im 2. Buch Könige (Kapitel 13, Vers 6): »Auch blieb stehen der Hain zu Samaria.« In der revidierten Luther-Bibel von 1912 wurde Luthers Textverfälschung wieder rückgängig gemacht. Da kehrt die vom Reformator getilgte Göttin wieder zurück: »Auch blieb stehen das Ascherabild zu Samaria.«

Es muss für die gläubigen Juden in Jerusalem sehr verwirrend gewesen sei: Manchmal wurde ausschließlich Jahwe allein im Tempel geduldet, manchmal bekam er Gesellschaft in Form einer Ascherastatue. Die Bibel berichtet über das seltsame Hin und Her: Salomos Sohn, König Rehoboam, brachte die göttliche Aschera in den Tempel. Sie wurde etwa 35 Jahre lang zusammen mit Jahwe im Zentrum der Religiosität verehrt. König Asra ließ sie entfernen, König Joash wieder installieren. Nach 100 Jahren gab es wieder einen Kurswechsel. Jetzt sorgte König Hezekiah dafür, dass Aschera wieder aus dem Heiligtum verschwand. König Manasseh aber machte das rückgängig und brachte sie wieder an ihren angestammten Platz. Dabei blieb es nicht: König Joshiah setzte eine religiöse Reform durch. Aschera wurde aus dem Tempel verbannt, kehrte aber nach dem Tod des Königs wieder zurück.

Durchsucht man das Alte Testament nach konkreten Hinweisen auf das Innerste des Tempels von Jerusalem, so stößt man nur auf spärliche Angaben über das Allerheiligste. Eines aber ist sicher: Die Vermutung, dass Salomos Tempel ausschließlich der Verehrung Jahwes diente, ist definitiv falsch. Der salomonische Tempel bestand nur 370 Jahre. 236 Jahre davon, also fast zwei Drittel der Zeit, beherbergte er eine Ascherastatue. Dabei hatte doch Jahwe nicht nur das Anbeten fremder Götter im Allgemeinen verboten, sondern ganz konkret gefordert (Das 5. Buch Mose, Kapitel 16, Vers 21): »Du sollst dir keinen Holzpfahl als Ascherabild errichten bei dem Altar Jahwes.«

Die Tatsache, dass ein ganz konkretes Gesetz ausdrücklich verbietet, neben dem Altar Jahwes der Göttin Aschera zu huldigen, lässt nur eine Interpretation zu: Im Heiligen Land muss lange Zeit neben Jahwe auch die Göttin Aschera verehrt worden sein. Barbara Walker hat sich intensiv mit der Rolle der Göttin im Heiligen Land auseinandergesetzt. Sie schreibt (Das Geheime Wissen der Frauen, Frankfurt 1993, S. 67): »Eine Zeitlang akzeptierte Aschera den semitischen Gott El als ihren Geliebten. Sie war die Himmelskuh, er der Stier.«

Die Beziehung zwischen Aschera und El blieb nicht ohne Folgen. Nach mythologischen Texten von Ugarit hatten die beiden eine gemeinsame Tochter, die göttliche Anat. Um zu verstehen, wie brisant diese Aussage ist, muss man eines wissen: El war nach Aussage des Alten Testaments (siehe etwa 1. Buch Mose, Kapitel 14, Vers 18) einer der Beinamen Jahwes. In unseren Bibelübersetzungen lesen wir: »Aber Melchisedek, der König von Salem, trug Brot und Wein heraus. Und er war ein Priester Gottes des Höchsten.« Damit ist ganz eindeutig Jahwe gemeint. Im Hebräischen aber steht ganz klar: »Und er war ein Priester von El, des Höchsten.« Und weiter heißt es (Verse 19 und 20, wörtlich übersetzt): »Und er segnete ihn und sprach: Gesegnet ist Abraham, von El, dem Höchsten, der gründet Himmel und Erde. Und ein Gepriesener sei El, der Höchste …«

Spuren der Göttin

Für den strenggläubigen Jahwe-Anhänger war die Vorstellung unerträglich, dass sein höchster Gott im Allerheiligsten des Tempels von Jerusalem eine göttliche Partnerin hatte. Dass aber aus dieser Beziehung eine Göttin hervorgegangen sein soll, war für den Jahwisten schlimmste Blasphemie. Völlig unvorstellbar war für ihn, dass Jahwes Tochter Anat schon Jahrtausende vor Jahwe bereits als Göttin existierte. Ihr genauer Ursprung ist allerdings bis heute nicht genau geklärt.

In Ägypten kannte man sie als wehrhafte Kriegerin und als eine Göttin der Fruchtbarkeit. Oder geht sie auf jahrtausendealte sumerische Mythologie zurück? Ist sie eine Kopie der sumerischen Himmelskönigin Inanna? Wurde Anat ursprünglich im asiatischen Bereich verehrt und angebetet? Unklar ist, wann die Kanaaniter Anat kennenlernten und in ihre religiöse Welt einbauten. Die Geschichte der Göttin Anat beginnt im Ungewissen. Sie muss auch die Menschen im Heiligen Land stark beeinflusst haben. Aus Papyrustexten aus dem 6. Jahrhundert vor Christus, die auf der Insel Elephantine gefunden wurden, wissen wir, dass Anat von den Juden lange Zeit verehrt wurde. Im Libanon, in Syrien und in Palästina gab es noch 200 n. Chr. Anhänger Anats. In Ägypten hielt sich ihr Kult sogar bis ins frühe 5. Jahrhundert n. Chr. Im Alten Testament allerdings wird man vergeblich nach Anat suchen. Oder gehörte sie zu mehreren Göttinnen, denen man als eine Art Sammelbezeichnung den Titel der »Himmelskönigin« verlieh?

Namentlich erwähnt wird die Göttin kein einziges Mal in der Bibel. Dass sie aber eine bedeutsame Rolle gespielt haben muss, beweist ihr Fortleben in einem Städtenamen. Offensichtlich wurde mindestens eine Stadt deshalb nach Anat benannt, weil hier einst ein Tempel der Göttin stand. Die biblischen Bücher Josua (Kapitel 19, Vers 38) und Richter (Kapitel 1, Vers 33) weisen auf Beth-Anat, zu Deutsch »Haus der Anat« hin. Unter »Haus der Anat« verstand man einen Tempel der Anat. Wenn eine Stadt »Haus der Anat« genannt wurde, hat sie wohl einst einen bedeutsamen Tempel der Göttin beherbergt. Offenbar war die Erinnerung daran in der Bevölkerung noch so stark, dass man den Namen der Göttin im Stadtnamen beließ. Ja vielleicht wurde, als Jahwe schon längst offiziell als der alleinige Gott galt, nach wie vor auch Anat angebetet.

Dass Anat schon Jahrtausende vor Jahwe verehrt wurde, ist inzwischen archäologisch bewiesen. 1929 wurden im alten Ugarit an der Nordküste Syriens unzählige uralte Tontafeln entdeckt. Eine Entzifferung der Keilschrifttexte ergab sehr viele klare Hinweise auf Göttinnenkulte. Eine sehr wichtige Rolle spielte einst ganz offensichtlich Göttin Anat. Die meisten Textzeugnisse stammten aus dem 14. Jahrhundert v. Chr., dürften aber auf deutlich ältere Texte zurückgehen.

Nach wie vor stiefmütterlich behandelt werden zahllose archäologische Funde aus dem Heiligen Land: Einst muss es Zigtausende von Terrakottafigürchen gegeben haben, die Göttinnen darstellten. E. Pilz veröffentlichte 1924 eine Studie mit dem Titel »Die weiblichen Gottheiten Kanaans«. Für den Wissenschaftler gab es keinen Zweifel: Es handelte sich um Darstellungen wichtiger Göttinnen. Pilz teilte die kunstvollen Figürchen in vier Gruppen ein: nackte Frau mit Händen vor der Brust, mit seitwärts gespreizten Händen (Blumen haltend), mit seitlich herabhängenden Händen und pfeilerförmige Figuren.

Pilz meinte klar erkennen zu können, was dargestellt wurde: einst mächtige, bedeutsame weibliche Gottheiten. Kurt Galling präzisierte 1977. Demnach handelte es sich bei den Statuetten um Darstellungen der göttlichen »Gefährtinnen Jahwes«. 1987 sprach S. Schroer im Zusammenhang mit den kostbaren Figürchen von »Himmelsköniginnen«. 1992 präzisierten O. Keel und Chr. Uehlinger: Man könne zwar keine der Göttinnenabbildungen mit Sicherheit konkret benennen, doch sei es recht wahrscheinlich, dass sie Astarte, Anat und Aschera darstellen sollen.

Urs Winter kommt nach ausgiebigem Studium der Kunstwerke ebenfalls zu dem Schluss, dass die Figürchen in der Regel Göttinnen darstellen. Allerdings glaubt er nicht wie Keel und Uehlinger, dass sie mit einer bestimmten, aus der Literatur bekannten göttlichen Gestalt identifiziert werden können. Er sieht die Statuetten allgemeiner als Personifizierungen der Beschützerin, Fürbitterin und Mittlerin. Die oft deutliche Hervorhebung der ausgeprägten Weiblichkeit stellt nach Winter die weibliche Machtfülle der Göttin dar.

Was die Untersuchung der kleinen Göttinnenplastiken stark erschwert, ist ihr teilweise extrem schlechter Zustand. Es ist nicht in erster Linie der Zahn der Zeit, der den religiösen Kunstwerken so arg zusetzte. Sie wurden vielmehr offensichtlich ganz bewusst zerstört. Warum sollten unzählige Künstler Tausende Göttinnenfiguren geschaffen haben, die dann offenbar mit Absicht zerschlagen wurden? Die Antwort liegt auf der Hand: Die Bildnisse der Göttinnen wurden von den Anhängern des Jahwekults als Verstoß gegen göttliches Gebot angesehen.

Gleich zwei Mal wird im Rahmen der mosaischen Gesetze ein konkretes Verbot ausgesprochen. Im zweiten Buch Mose (Kapitel 20, Vers 4) wird gefordert: »Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist.« Im fünften Buch Mose (Kapitel 5, Vers 8) wird wiederholt: »Du sollst dir kein Bildnis machen in irgendeiner Gestalt, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist.«

Über den Grund dieses Bilderverbots kann man spekulieren. Tatsache ist: Die mosaische Gesetzgebung sollte auch die Bedeutung von Jahwe als dem alleinigen Gott unterstreichen. Gott Jahwe, so lehrten es seine Priester, duldete keine anderen Götter neben sich, schon gar keine Göttinnen. Wurde das Verbot der Anfertigung von Bildnissen auch deshalb aufgestellt, damit unzählige Darstellungen von Göttinnen vernichtet werden mussten? Sollte so die Erinnerung an die Zeit der Verehrung von Göttinnen ausgelöscht werden? Sie passten den patriarchalisch denkenden Priestern überhaupt nicht ins Konzept: Jahwe war als einziger und männlicher Gott zu verehren, Göttinnen hatten aus der Glaubenswelt zu verschwinden.

Wie mit den Abbildungen fremder Götter, natürlich auch von Göttinnen, umzugehen war, bringt das mosaische Jahwe-Gesetz deutlich zum Ausdruck (2. Buch Mose, Kapitel 23, Vers 24): »Du sollst ihre Götter (die fremden Götter) nicht anbeten … sondern du sollst ihre Steinmale umreißen und zerbrechen.« Und genauso wurde mit Tausenden »Steinmalen« der Göttinnen verfahren!

Wie sich die Bilder gleichen: Die Geschichte von Gott beginnt nach dem Alten Testament mit dem Kampf Gottes gegen die Meeresgöttin Rahab. Der Gott des Alten Testaments tötete Rahab. Danach erst, und nicht zu Beginn »schuf Gott Himmel und Erde«. Psalm 89 weist noch konkreter auf diesen Zusammenhang hin (Verse 11 und 12): »Du (Gott Jahwe) hast Rahab zu Tode geschlagen … Himmel und Erde sind dein!« Im babylonischen Schöpfungsepos »Enuma Elisch« tritt Gott Marduk (Pendant zu Jahwe) gegen die Göttin Tiamat (Pendant zu Rahab) an, spaltete sie und formte daraus Himmel und Erde.

Die biblische Geschichte von Gott lässt auf die Erschaffung von Himmel und Erde bald die des Menschen folgen. Adam und Eva werden allerdings schon wenig später aus ihrem Paradies vertrieben. Harte Zeiten kommen auf die ersten Menschen zu (1. Buch Mose, Kapitel 3, Verse 16, 17 und 18): »Zum Weibe sprach er: Ich will dir viel Mühsal schaffen, wenn du schwanger wirst. Unter Mühen sollst du Kinder gebären … Und zum Manne sprach er: Verflucht sei der Acker um deinetwegen. Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang Dornen und Disteln soll er dir tragen …«

Als literarische Vorlage diente auch hier das babylonische »Enuma Elisch« (Tafel 6,1 und 6,5): »Als Marduk die Rede der Götter hörte, bekam er den Wunsch, kunstvolle Dinge zu schaffen. Er öffnete seinen Mund: ›Ich will Blut zusammenbringen und Knochen formen, ich will den Lullu (sumerisch für Mensch) ins Leben rufen, dessen Name Mensch sein soll. Ich will den Lullu-Menschen erschaffen, auf den die Mühsal der Götter gelegt sein soll.‹«

Das meistgelesene Buch über die Geschichte von Gott ist die Bibel. Judentum und Christentum sehen das Alte Testament als heiliges Buch, als Fundament des Glaubens an. Beide Religionen sind monotheistisch, beten zu einem einzigen Gott. Und der ist – liest man das Alte Testament oberflächlich – männlich. Gründliche Recherche aber führt zu einem anderen, für manche Zeitgenossen ketzerischem Resultat. Demnach gab es vor dem männlichen Gott des Alten Testaments die Göttin. Ihre Spuren finden sich versteckt im ersten Schöpfungsbeginn der Bibel, mit dem das Alte Testament eingeleitet wird. Er soll um 550 v. Chr. entstanden sein. Als Vorlage diente das babylonische Epos »Enuma Elisch«, um 1200 v. Chr. verfasst, mit deutlichen Hinweisen auf die Göttin, die den Himmel regierte, bevor ein männlicher Gott die Vorherrschaft an sich riss. Noch älter sind die heiligen Texte von Ugarit: Um 1500 v. Chr. huldigten sie der mächtigen Göttin. Aus dieser Zeit stammen unzählige Statuetten, die eindeutig Göttinnen darstellen.

Die Göttin in Europa

Um 1700 v. Chr. endete auf Kreta die jahrtausendealte minoische Kultur. Arthur Evans hat sie um 1900 entdeckt, als er Erzählungen der altkretischen Mythologie auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfte. Sie führten ihn zu den Palästen von Minos. In ersten Veröffentlichungen beschrieb Arthur Evans die jahrtausendealte Kultur als patriarchalisch. Männliche Götter dominierten das Leben. Frauen waren für untergeordnete Tätigkeiten bestimmt. Sie gehorchten, dienten und beteten an. Objektiv betrachtet, konnten seine Interpretationen allerdings kaum überzeugen. Denn in der Kunst von Minos standen starke Frauen im Vordergrund. Die angeblich so mächtigen männlichen Götter sind in der Kunst geradezu zwergenhaft dargestellt.

Da prangt auf einem der berühmten Siegelringe von Knossos eine Frau in prachtvollem Gewand. Wegen seiner Winzigkeit kaum zu erkennen ist so etwas wie ein männliches »Engelchen« mit Flügeln am Himmel. Offenbar wollte Arthur Evans unbedingt Hinweise auf einen männlichen Götterkult erkennen. Also erklärte er den winzigen Engel zum Gott und die im Mittelpunkt stehende imposante weibliche Gestalt zur unbedeutenden Anbeterin.

Doch 30 Jahre später revidierte Arthur Evans sein Bild von Knossos. Aus dem Engel wurde die unbedeutende Randfigur, die er ja tatsächlich war. Und die dominierende Frau wurde als die große Göttin erkannt. Die minoische Kultur muss von ihren ältesten Anfängen, etwa 6000 v. Chr., von der großen Göttin bestimmt worden sein. In großen Höhlen im Gebirge wurde Rhea, die Muttergöttin, verehrt. Sie wurde als dreifaltige Göttin angebetet: als süße Jungfrau Dictynna, als mütterliche Gesetzgeberin vom heiligen Berg und als Urheberin der ägäischen Zivilisation Aegea.

Als Emblem der mächtigen Muttergöttin wurde die Schlange gesehen. Während später im Alten Testament die Schlange als teuflische Verführerin verdammt wurde, wurde sie in der matriarchalischen Kultur von Minos als wohltätiger Geist verehrt. Besonders bedeutsam aber ist eine weitere, auf den ersten Blick unscheinbare Darstellung der großen Göttin von Kreta als Stein. Denn eben dieser Stein wird zugleich auch als »Nabelstein« oder als »Weltmitte« bezeichnet. Somit wird bildlich ausgesagt, dass die Göttin im Zentrum der Welt steht.

Arthur Evans besaß die Größe, seine ursprüngliche Meinung vollständig zu revidieren. Aus einem Verfechter eines Patriarchats auf Kreta wurde ein überzeugter Anhänger eines matriarchalischen Kreta. Er rückte wieder die Göttin ins Zentrum des religiösen Lebens, männliche Götter spielten nur noch unbedeutende Nebenrollen. Was Verfechtern des Patriarchats auch heute noch ein Ärgernis ist: Jahrtausende bevor der Monotheismus von den Verfassern des Alten Testaments »erfunden« wurde, hat man ihn bereits auf der Insel Kreta entwickelt. Nach Evans handelte es sich bei der uralten Religion von Kreta um einen »großen monotheistischen Kult, in welchem die weibliche Form der Gottheit den obersten Platz einnimmt.«

Arthur Evans sah den Kult um die Göttin von Minos nicht als einzigartig an. Vielmehr erkannte er eine ganze Reihe von Parallelen, die auch heute noch in den meisten Geschichten von Gott keine Berücksichtigung finden. Der minoischen Göttin entsprechen Kybele von Kleinasien, Ma von Syrien, Rhea der Griechen und die Astarte im Heiligen Land. Astarte war allerdings offiziell alles andere als beliebt bei den Anhängern des biblischen Jahwe-Glaubens. Die Herrin von Byblos dürfte aber bereits Jahrtausende vor dem Eingott Israels angebetet worden sein. Sumerische Rollsiegel aus Lagasch zeigen sie schon um 2300 v. Chr. als Himmelskönigin. Sie führte das Regiment über Sterne und Tote. Salomo, so berichtete es das erste Buch der Könige, betete Astarte an (Kapitel 11, Vers 5): »So diente Salomo der Astarte.« Im Alten Israel spielte sie eine wichtige Rolle. Häufig wurden sogar Orte nach ihr benannt, zum Beispiel »Beth Aschtaroth« (Das Buch Josua, Kapitel 21, Vers 27).

Die Familienverhältnisse der Göttin muten auf den ersten Blick verwirrend an. Angeblich war sie eine Tochter von Aschera und El, der im Alten Testament häufig mit Jahwe gleichgesetzt wird. Demnach wäre also Astarte die Tochter von Jahwe und seiner Partnerin Aschera, die sich so lange das Allerheiligste im Tempel von Jerusalem teilten. Indem aber Astarte zur Tochter von El (alias Jahwe) gemacht wurde, wurde sie zugleich auch degradiert. Aus der Göttin, die einst den Himmel regierte, wurde die Tochter Jahwes. Auf diese Weise wechselten die beiden die Plätze: Die Göttin musste den Thron der Herrscherin verlassen, den dann Jahwe einnahm.

Vermutlich hätten die Jahwe-Anhänger am liebsten die himmlische Herrscherin gleich völlig aus der Geschichte von Gott gestrichen. Das konnte aber nicht gelingen, da die Erinnerung an die Göttin einfach zu stark war. So mussten sich die Jahwe-Vertreter damit begnügen, die Göttin zu degradieren. Ganz verschwinden lassen konnte man sie nicht. Sie erwies sich als zählebiger, als vielleicht ihre Anhänger zu hoffen gewagt hätten. Noch im dritten Jahrtausend nach Christus lebt sie in einem christlichen Fest weiter! Astartes Name bedeutete ursprünglich, sinngemäß übersetzt, »die, die gebärt«. Sie wurde als Symbol der Fruchtbarkeit verehrt. Symbol der Fruchtbarkeit ist der Hase.

Astarte existierte lange nach der Vernichtung Jerusalems als Göttin Astera weiter. Unser Osterfest erinnert an die einst mächtige Göttin. So kam über Astera-Astarte der Osterhase zum Osterfest. Auf diese kuriose Weise lebt die Erinnerung an eine einst mächtige Göttin in Zeiten des Matriarchats auch in unseren Tagen weiter, auch wenn kaum noch jemand die ursprüngliche Bedeutung von Ostern kennt.

Arthur Evans stieß kühn ein Tor zu einer neuen, faszinierenden Erforschung der Bedeutung der Göttin in der Geschichte von Gott auf. Marija Gimbutas (1921–1994) forschte vorurteilslos und kam wie Arthur Evans zu der Erkenntnis, dass einst die Göttin und nicht Gott das religiöse Leben bestimmte. Die herausragende Wissenschaftlerin, die Texte in dreizehn Sprachen lesen konnte, wurde 1950 an die renommierte Universität von Harvard berufen. Marija Gimbutas leitete fünf große Ausgrabungsprojekte im ehemaligen Jugoslawien, in Mazedonien, Griechenland und in Italien. Über viele Jahre hinweg verglich sie die wissenschaftlichen Forschungsergebnisse von 3000 Grabungsstätten in Europa. Dabei waren mehr als dreißigtausend Miniaturskulpturen entdeckt worden, die allesamt Göttinnen darstellen. Marija Gimbutas fasste ihre Erkenntnisse 1982 in ihrem Buch »The Goddesses and Gods of Old Europe« zusammen. Demnach wurde Europas Religion in der Altsteinzeit von der Göttin bestimmt.

Marija Gimbutas schrieb (aus dem Englischen vom Verfasser übersetzt): »Es wird die Dauer der Verehrung der Göttin von mehr als 20 000 Jahren von der Altsteinzeit bis in die Jungsteinzeit und darüber hinaus bewiesen – durch die Kontinuität einer Fülle von festgelegten Bildern der Göttin … Die Kultur von Alteuropa war bestimmt von der Vorherrschaft der Frau in der Gesellschaft und in der Verehrung der Göttin. Die Göttin steht für das schöpferisch-kreative Prinzip, ist sie doch der Ursprung und diejenige, die alles gibt.«

Das von der Göttin regierte Europa war riesig. Es umfasste die Balkanhalbinsel, reichte von Süd- und Mittelitalien im Westen bis zum Donauraum im Norden, im Osten bis zur Ukraine und zum Schwarzen Meer, schließlich bis zum Ägäischen Meer, an die Küste Kleinasiens und Kreta im Süden.

Um 3000 bis 5000 v. Chr. gab es einen kulturellen Umsturz in Europa. Er mag sich über Jahrhunderte erstreckt haben. Klar ist nur: Die Indoeuropäer strömten nach Europa, vielleicht weil sie eine Naturkatastrophe in ihrer Heimat dazu zwang. Zwei Kulturen prallten aufeinander: Die jahrzehntausendealte matriarchalische Kultur wurde von der indogermanischen überrannt. Woher die Indoeuropäer kamen, ist bis heute ebenso umstritten wie ihre ursprüngliche Religion. Nur Bruchstücke der Welt der eindringenden Indoeuropäer konnten bislang rekonstruiert werden.

So wissen wir heute, dass ihre Gesellschaft eine patriarchalische war. Die Indoeuropäer beteten zu einem »himmlischen Vater«. Offensichtlich waren sie mit ihren berittenen Truppen den alteuropäischen Kulturen hoch überlegen, die anscheinend auch gar keinen militärischen Widerstand leisteten. Die Archäologie entdeckte nicht die Spur von Verteidigungsanlagen, wohl aber tauchten plötzlich Waffen in fremden Gräbern auf. Offenbar waren die attackierten Menschen der Aggressivität der Indogermanen nicht gewachsen. Der Sieg der Indoeuropäer brachte einen gravierenden Wandel: Die Himmelsgöttin und ihre Töchter wurden verdrängt und durch männliche Gottheiten ersetzt. Zumindest wurde das versucht.