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Gedichte


Gedichte

Der Rabe und sämtliche andere
1. Auflage

von: Edgar Allan Poe

3,99 €

Verlag: Edition Rabenpresse
Format: PDF
Veröffentl.: 04.12.2022
ISBN/EAN: 9783961273126
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 272

Dieses eBook erhalten Sie ohne Kopierschutz.

Beschreibungen

Edgar Allan Poe (* 19. Januar 1809 in Boston, Massachusetts; † 7. Oktober 1849 in Baltimore, Maryland) war ein US-amerikanischer Schriftsteller. Er prägte entscheidend die Gattung der Kurzgeschichte sowie die Genres der Kriminal-, der Horror- und der Schauerliteratur. Einzelne Erzählungen haben spätere Autoren der Science-Fiction wie Jules Verne beeinflusst. Seine Poesie, in Europa u. a. von Charles Baudelaire rezipiert, wurde zum Fundament des Symbolismus und damit der modernen Dichtung. Poes Werk umfasst Erzählungen, Lyrik, Satiren, Essays, literaturwissenschaftliche (Das poetische Prinzip, postum erschienen) und höchst komplexe naturwissenschaftliche Abhandlungen. Es ist als Ganzes nicht einfach unter einen Oberbegriff zu bringen. Trotzdem wird Poe– auch dank zahlreicher Verfilmungen– sein Image als „Horrorautor“ wohl nie ganz verlieren. Von großer Bedeutung ist sein lyrisches Werk. Der Rabe (englisch The Raven) und The Bells gelten als die ersten bedeutenden Gedichte Amerikas in der Weltliteratur. Poe maß bei der Konzeption seiner Gedichte der Musik und dem logisch-formalen Aufbau einen hohen Stellenwert bei und sorgte oft für die klangliche Veranschaulichung der im Gedicht beschriebenen Dinge (The Bells), was ihn zu einem Wegbereiter des Symbolismus vor allem in Frankreich machte.
In diesem Buch ist das gesamte lyrische Werk von Edgar Allan Poe zusammengefasst, zum Teil in mehreren deutschen Übersetzungen.
Der Rabe
Übers.: Hedwig Lachmann

Eines Nachts, aus gelben Blättern mit verblichnen
Runenlettern
Tote Mären suchend, sammelnd von des
Zeitenmeers Gestaden,
Müde in die Zeilen blickend und zuletzt im Schlafe
nickend,
Hört' ich plötzlich leise klopfen, leise, doch
vernehmlich klopfen
Und fuhr auf, erschreckend stammelnd: »Einer von den Kameraden«,
»Einer von den Kameraden«.

In dem letzten Mond des Jahres, um die zwölfte
Stunde war es,
Und ein wunderlich Rumoren klang mir fort und
fort im Ohre,
Sehnlichst harrte ich des Tages, jedes neuen
Glockenschlages;
In das Buch vor mir versenken wollt' ich all mein
Schmerzgedenken,
Meine Träume von Leonoren, meinen Gram um
Leonore,
Um die tote Leonore.

Seltsame, phantastisch wilde, unerklärliche Gebilde,
Schwarz und dicht gleich undurchsicht'gen, nächtig
dunklen Nebelschwaden
Huschten aus den Zimmerecken, füllten mich mit
tausend Schrecken,
So daß ich nun bleich und schlotternd, immer
wieder angstvoll stotternd,
Murmelte, mich zu beschwicht'gen: »Einer von den
Kameraden«,
»Einer von den Kameraden!«

Alsbald aber mich ermannend, fragt' ich, jede Scheu
verbannend,
Wen der Weg noch zu mir führe: »Mit wem habe ich
die Ehre?«
Hub ich an, weltmännisch höflich: »Sie verzeihen,
ich bin sträflich,
Daß ich Sie nicht gleich vernommen; seien Sie mir
hochwillkommen!«
Und ich öffnete die Türe – nichts als schaudervolle
Leere,
Schwarze, schaudervolle Leere.

Lang in dieses Dunkel starrend, stand ich fürchtend,
stand ich harrend,
Fürchtend, harrend, zweifelnd, staunend, meine
Seele ganz im Ohre –
Doch die Nacht blieb ungelichtet, tiefes Schwarz auf
Schwarz geschichtet,
Und das Schweigen ungebrochen, und nichts weiter
ward gesprochen,
Als das eine, flüsternd, raunend, das gehauchte Wort »Lenore«,
Das ich flüsterte: »Lenore!«

In mein Zimmer wiederkehrend und zum Sessel
flüchtend, während
Schatten meinen Blick umflorten, hörte ich von
neuem klopfen,
Diesmal aber etwas lauter, gleichsam kecker und
vertrauter.
An dem Laden ist es, sagt' ich, und mich zu erheben
wagt' ich,
Sprach mir Mut zu mit den Worten: »Sicher sind es
Regentropfen,
Weiter nichts als Regentropfen«.

Und ich öffnete: Bedächtig schritt ein Rabe, groß
und nächtig,
Mit verwildertem Gefieder ins Gemach und
gravitätisch
Mit dem ernsten Kopfe nickend, flüchtig durch das
Zimmer blickend,
Flog er auf das Türgerüste, und auf einer
Pallasbüste
Ließ er sich gemächlich nieder, saß dort stolz und
majestätisch,
Selbstbewußt und majestätisch.

Ob des herrischen Verfahrens und des würdige'n
Gebarens
Dieses wunderlichen Gastes schier belustigt, sprach
ich; »Grimmer
Unglücksbote des Gestades an dem Flußgebiet des
Hades
Du bist sicher hochgeboren, kommst du gradwegs
von den Toren
Des plutonischen Palastes? Sag, wie nennt man dich
1dort?« – »Nimmer!«
Hört' ich da vernehmlich: »Nimmer!«

Wahrlich, ich muss eingestehen, daaa mich eigene
Ideen
Bei dem dunklen Wort durchschwirrten, ja, dass mir
Gedanken kamen,
Zweifel vom bizarrsten Schlage; und es ist auch
keine Frage,
Dass dies seltsame Begebnis ein vereinzeltes
Erlebnis:
Einen Raben zu bewirten mit solch ominösem
Namen,
Solchem ominösen Namen.

Doch mein düsterer Gefährte sprach nichts weiter
und gewährte
Mir kein Zeichen der Beachtung. Lautlos stille
ward's im Zimmer,
Bis ich traumhaft, abgebrochen (halb gedacht und
halb gesprochen)
Raunte: »Andre Freunde gingen, morgen hebt auch
er die Schwingen,
Läßt dich wieder in Umnachtung.« Da vernahm ich deutlich »Nimmer.«
Deutlich und verständlich: »Nimmer.«

Stutzig über die Repliken, maß ich ihn mit scheuen
Blicken,
Sprechend: Dies ist zweifelsohne sein gesamter
Schatz an Worten,
Einem Herren abgefangen, dem das Unglück
nachgegangen,
Nachgegangen, nachgelaufen, bis er auf dem
Trümmerhaufen
Seines Glücks dies monotone »Nimmer« seufzteallerorten,
Jederzeit und allerorten.

Doch der Rabe lieb possierlich würdevoll, und
unwillkürlich
Mußt' ich lächeln ob des Wichtes: Alsdann mitten in
das Zimmer
Einen samtnen Sessel rückend und mich in die
Polster drückend,
Sann ich angesichts des grimmen, dürren, ominösen,
schlimmen
Künders göttlichen Gerichtes, über dieses dunkle
»Nimmer«,
Dieses rätselhafte »Nimmer.«

Dies und anderes erwog ich, in die Traumeslande
flog ich,
Losgelöst von jeder Fessel. Von der Lampe fiel ein
Schimmer
Auf die violetten Stühle, und auf meinem samtnen
Pfühle
Lag ich lange, traumverloren, schwang mich auf zu
Leonoren,
Die in diesen samtnen Sessel nimmermehr sich
lehnet, nimmer,
Nimmer, nimmer, nimmer, nimmer.

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