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Peter R. Lehman

Fur immer und ewig





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80331 München

Überschrift und Impressum

                            Peter R. Lehman

 

  Für immer und ewig

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

©2016. Alle Rechte vorbehalten.

PROLOG

 Prolog

Was für ein Chauvinist! Seit die blonde Johanna nach Mexico zur archäologischen Ausgrabungsstätte ihres Vaters gekommen ist, gerät sie ständig in Streit mit Simón Alvardo de Mondragón.Auf seinem riesigen Anwesen befindet sich der Ausgrabungsort, und ein kurzer Blick auf Johanna hat Simón die Überzeugung gewinnen lassen, dass sie nicht hierher, nicht in seine Nähe, zu seiner Familie passt: Johanna ist ihm viel zu emanzipiert, zu liberal erzogen, ist ihm zu sexy. Nach alter mexikanischer Tradition ist es in erster Linie Gehorsam, was Simón von einer Frau erwartet. Umso mehr erstaunt es Johanna, dass er sie als Kindermädchen seiner jüngeren Schwester vorübergehend duldet. Dies gibt Johanna die Gelegenheit diesen attraktiven Mann  zu umgarnen: Sie will Ihn verführen, um ihn dann sitzenzulassen. Heimzahlen will sie es diesem despotischen Kerl!

Dennoch, nach jeder erneuten Auseinandersetzung sucht er ihre Nähe und begehrt sie heftiger denn je.Auch Johanna beginnt bald, für Simón mehr zu empfinden. Denn sie erkennt schließlich, dass er ein feuriges, treues Herz besitzt, das nur für sie allein schlägt.

Aber dramatische gar abenteuerliche Ereignisse stehen Johannas Glück im Wege… 

1. KAPITEL

 

 

1. KAPITEL

 

Fünfundneunzig Meilen nordwestlich von Veracruz waren sie von der Hauptstraße heruntergefahren. Seitdem war der Weg voller Furchen, Schlaglöcher, und jedes Mal, wenn der Land Rover darüberfuhr, wirbelte er eine Staubwolke auf, die den Insassen des Fahrzeuges fast den Atem nahm.  

Vor zwei Tagen hatte Johanna Frankfurt voller Erwartungen verlassen. Jetzt schwand ihr Optimismus, und sie fürchtete, bei dieser schaukligen Fahrt jeden Augenblick auf die Landstraße zu fliegen. Krampfhaft hielt sie sich abwechselnd an Fensterrahmen und Sitzrand fest, überzeugt, diese Fahrt nicht heil zu überstehen.  

Es war zu alledem heiß und stickig, und Johannas Kleidung fühlte sich an, als hätte sie sie nicht zwei Tage, sondern drei Wochen am Körper. In diesem Zustand stellte sie sich zwangsläufig die Frage, ob es überhaupt richtig gewesen war, in dieses Land zu reisen. Gleichzeitig fiel ihr jedoch auch ein, wie sehr ihr Vater sich über ihr Interesse an seiner Arbeit gefreut hatte. Er war Archäologe und machte Ausgrabungen in Mexico. Außerdem war das Leben in Frankfurt recht langweilig geworden, und der aufdringliche Wolf von Döring war ihr ziemlich auf die Nerven gegangen.  Sie wischte sich die Hände an einem Erfrischungstuch ab. Der Fahrer des Geländewagens sah sie von der Seite an.  

„Es ist nicht mehr weit“, tröstete er sie freundlich. „Ein Glück.“ Sie lächelte dem gutmütigen Kanadier Doug McClure zu. Er konnte ja wirklich nichts für die miese Straße.

„Wie geht es meinem Vater?“ fragte sie.  

„Oh, der Professor ist okay.“ Nach kurzem Zögern fuhr er fort: „Natürlich freut er sich über Ihren Besuch, aber ich glaube, er hat auch ein bisschen Angst, Sie könnten enttäuscht sein. Er vermutet, dass das, was sie hier antreffen, nicht ganz ihren Vorstellungen entspricht.“  

Doug McClure riss plötzlich das Lenkrad herum, um einem groben Loch in der Fahrbahn auszuweichen. Dabei erwischte er um ein Haar einen einsamen Radfahrer. Er grinste, als er Johannas erschrecktes Gesicht sah.  

„Nur keine Panik“, beruhigte er sie, „bisher habe ich noch niemanden umgebracht.“ Johanna lenkte sich etwas ab, indem sie sich die Landschaft besah.Sie fuhren durch eine enge Schlucht, die ganz plötzlich den Blick auf ein riesiges Tal freigab. Die üppige Vegetation überraschte Johanna. Unzählige Bäume und exotische Pflanzenstauden bedeckten weite Flächen, dazwischen sah man saftige Weiden und farbenprächtige Blumenfelder. An der Talsohle schlängelte sich ein Fluss.   

Sehnsuchtsvoll schaute Johanna hinunter. Zu gern hätte sie sich in dem kühlen Wasser etwas erfrischt.

„Wie heißt das hier?“ wollte sie von Doug McClure wissen. Sie strich sich das lange Haar mit einer ungeduldigen Gebärde zurück.  

McClure blickte bewundernd auf ihr glänzendes honigblondes Haar, und er spürte wieder die starke Anziehungskraft, die von diesem Mädchen ausging.   „Äh - Monteverde“, erklärte er etwas verwirrt und versuchte sich zu sammeln. „Das Tal gehört Don Simón Alvarado Marquéz de Mondragón.“  

„Ich verstehe. Und diese Ausgrabungen - die sind auch hier im Tal?“  

„Genau. Ihr Vater interessierte sich für die Berichte eines Mannes namens Cortese, der vor etwa vier Jahren mehrere Monate hier verbracht hat. Er wollte herausfinden, ob es hier möglicherweise weitere Rückschlüsse und Spuren auf die Existenz einer weiteren Azteken-Stadt gäbe. Wie sie vermutlich wissen, war dieses Land von den verschiedensten Zivilisationen bevölkert, bevor die Spanier kamen. Überall findet man noch die Spuren ihrer Zivilisation, ihrer Religion und ihrer Kultur. Wir haben Yucatan besucht, wo man vor noch nicht allzu langer Zeit, Ruinen der Mayas gefunden hat. Es ist wirklich phantastisch, sage ich Ihnen, wie sich aus dem dampfenden Dschungel Yucatans diese weißen Pyramiden erheben. Es ist alles da, Städte mit Tempeln, Pyramiden, Grabstätten.“  

„Sie sind ganz fasziniert von diesen Dingen - was Doug?“  

McClure nickte. „Ich glaube, ja. Aber das wären Sie auch, wenn Sie es sehen könnten. Diese mächtige Pyramide, Sie müssten einmal drinnen stehen. Oder den Thron der Mayas, einem Jaguar nachgebildet, rot bemalt und mit Jade verziert. Und wenn man bedenkt, dass das alles um die eintausendfünfhundert Jahre alt ist, dann muss man einfach beeindruckt sein. Es erginge Ihnen nicht anders. Ich möchte wissen, wie sie ihre Städte gebaut haben, warum sie sie so und nicht anders angelegt haben, diese alten Indigenen Völker.“

Johanna fand es wider Erwarten interessant, was der Mann ihr da erzählte. „Ich habe gar nicht gewusst, dass mein Vater sich soweit im Süden befindet. Außerdem glaubte ich, Mexico hätte ein angenehmes, wohltemperiertes Klima.“  

„Das hat es auch - in manchen Gegenden. Mexico-City zum Beispiel. Aber es liegt so hoch, dass man bei der geringsten Anstrengung nach Luft schnappen muss.“  

Johanna lächelte. „Na, das wenigstens haben wir hier nicht“, bemerkte sie trocken. Das Tal lag jetzt offen vor ihnen, und man sah deutlich die exakt angelegten Reihen der Kaffeepflanzen und der Bananenbäume. Dazwischen, etwas oberhalb der Talsohle, schimmerten die braunen Dächer der kleinen Häuser durch das Blätterwerk. Über allem wölbte sich ein leuchtendblauer Himmel.  

Von Zeit zu Zeit kreuzten kleine Rinderherden die staubige Straße, und die Männer, die sie führten, schauten stoisch und gelassen auf das Fahrzeug, in dem Johanna und Doug saßen. Eile war hier offenbar ein unbekanntes Wort.  

Felsige Gebirge umgaben das endlos weite Tal; da und dort sah man meterhohe Kakteen wie Wachsoldaten in den Himmel ragen. Die Straße führte ganz allmählich nach unten, und Johanna überlegte, dass der Pass, den sie gerade durchquert hatten, offenbar der einzige Zugang zum Tal war. „Findet dieser Don Simón die Fahrt nicht reichlich beschwerlich, um aus diesem einsamen Ort herauszukommen?“  

McClure fuhr gerade über eine schmale, steinerne Brücke, die über den kleinen Fluss führte. „Er benutzt die Straße nicht allzu oft. Er hat einen Hubschrauber. Mit dem fliegt er nach Oaxaca oder sonst wohin. Ein ziemlich unternehmungslustiger Bursche, ganz und gar nicht das, was man so im Herzen des mexikanischen Busches erwartet.“  

„Wundert mich nur, dass er Ihnen nicht den Hubschrauber geliehen hat, um mich herzubringen“, bemerkte Johanna spitz.  

„Er weiß gar nicht, dass Sie kommen.“

McClure runzelte leicht die Stirn. „Ihr Vater meinte, es wäre wohl besser, ihn einfach vor vollendete Tatsachen zu stellen. Er ist - ich weiß nicht recht, wie Sie ihn nennen würden -, ich jedenfalls finde ihn reichlich feudalistisch. Ja, das ist wohl das passende Wort. Eine Frau in dieser Männertruppe wird ihm sicherlich nicht gefallen, auch wenn die Expedition von ihrem Vater geleitet wird. Um ehrlich zu sein, die Bedingungen sind wirklich ziemlich primitiv. Ich war überrascht, als Ihr Vater mir von Ihrem Kommen erzähltet.“  

„Sie kennen meinen Vater gut genug, um zu wissen, dass er mitunter seine Umgebung völlig ignoriert. Das scheint auch hier bei dieser Expedition geschehen zu sein. Im Übrigen war ich es, die kommen wollte. Es war nicht seine Idee, aber natürlich war er nicht in der Lage, der Arme, mir die Bitte abzuschlagen.“  

Doug McClure wusste, dass sie in diesem Punkt völlig Recht hatte. Professor Natusius verwöhnte seine jüngste Tochter maßlos. Die beiden älteren Schwestern Johannas, bei deren Geburt schon Teenager, machten es nicht viel anders. Als kurz nach Johannas Geburt ihre Mutter starb, kamen mehrere Kindermädchen ins Haus, die die Kleine ebenfalls verhätschelten. 

 Kein Wunder, dass sie reichlich verzogen war, aber sie machte das mit einem ihr angeborenen Charme wieder wett. Jedenfalls konnte ihr der Professor kaum eine Bitte abschlagen.  

Johanna konnte sich vorstellen, was McClure in diesem Moment dachte. „Sie meinen sicher, Papa hätte hart bleiben und darauf bestehen sollen, dass ich zu Hause bleibe?“  

Doug wurde verlegen. „Nun, es ist nicht ganz leicht, hier klarzukommen. Vergessen Sie nicht, dass wir hier in einem Land mit hauptsächlich spanischer Tradition leben. Man ist noch sehr konventionell und achtet streng auf Äußerlichkeiten.“  

„Sie wollen sagen: Lauf nicht in zu engen Hosen oder gar zu kurzen Röcken herum, nicht wahr? Aber die sind ja sowieso nicht mehr Mode.“  

„Ungefähr das meinte ich“, entgegnete Doug McClure lachend.  

„Sind denn alle immer noch so schrecklich konservativ?“ wollte Johanna wissen.  

„Jedenfalls Don Simón. Besonders was seine Frauen angeht.“  

Johannas Augen weiteten sich verblüfft: „Seine Frauen? Wie viele Frauen hat er denn?“  

„Oh, nicht so, wie sie meinen“, lachte Doug. „Nein, er hat zwei Schwestern, und dann ist da noch seine Verlobte, Ines Monterro.“  

„Ich verstehe. Also, keine Sorge, Doug. Ich werde die Tugendhaftigkeit in Person sein!“  

Doug McClure zweifelte zwar daran, behielt aber seine Gedanken für sich. Stattdessen sagte er: „Wir sind gleich da - noch an dieser Baumgruppe vorbei, dann können Sie das Lager sehen.“  

„Das hört sich ja an, als wären wir Zigeuner“, scherzte Johanna.  

„In gewisser Weise sind wir das auch. Jedenfalls schlafen wir in Zelten und kochen meistens unter freiem Himmel.“  

„Klingt ja ziemlich primitiv“, murmelte Johanna und sehnte sich nach einer Dusche.  

Die Baumgruppe, die Doug erwähnt hatte, entpuppte sich für Johanna als eine Art Dschungel, dicht und feucht und geheimnisvoll. Aus dem grellen Sonnenlicht kommend, wirkte er besonders düster. Sie war froh, als sie den Wald wieder verließen und den offenen Lagerplatz vor sich sahen. Überall standen Zelte, dazwischen parkten Geländewagen. Ein Geruch von Gebratenem lag über dem Platz, und auf einmal merkte Johanna wie hungrig sie war.  

„Unser Zuhause, unser reizendes Zuhause“, sagte Doug.  

„Ich hoffe, es gibt genügend Wasser, damit ich mir diesen ekelhaften Staub abspülen kann“, meinte Johanna.  

„Also, es gibt Duschmöglichkeiten“, erklärte Doug. „Aber ich fürchte, die werden etwas anders sein, als sie es gewohnt sind.“  

„So wie ich mich im Augenblick fühle, würde ich mich am liebsten ausziehen und in den Fluss springen“, gestand Johanna. „Aber es wird nett sein, Papa wiederzusehen. Und ich werde mich auch nicht allzu sehr beklagen, das verspreche ich.“  

Doug parkte den Land Rover am Rand des Platzes und hupte, um ihre Ankunft zu melden.  

Johanna glitt von ihrem Sitz und sah ihren Vater entgegen, der aus einem der Zelte gekommen war. Er trug seine Hornbrille, den Augenschutz hatte er über die Stirn geschoben. Er war ein breitschultriger, großer Mann mit graumeliertem Haar und feinen Gesichtszügen.  

Johanna stürmte auf ihn zu und umarmte ihn liebevoll und übermütig. Andere Männer waren ebenfalls aus den Zelten gekommen, um zu sehen, was los war. Sie sahen nachsichtig auf Johanna und ihren Vater. Die meisten von ihnen kannten die hübsche junge Frau, und ihr Anblick tat ihnen nach sechs Monaten Buschleben ausgesprochen gut.  

„Es ist schön, dich wiederzusehen, mein Kind“, sagte ihr Vater und hielt sie ein wenig von sich. „Du bist ein wahrer Lichtblick. Hattest du eine gute Reise?“  

Soso. Bis Veracruz ging es ja noch, aber dann! Die Straße, die hierherführt, ist wirklich ausgesprochen fürchterlich. Ich dachte manchmal, ich zerbreche in zwei Teile.“  

Professor Natusius lachte. „Du nicht, Johanna. Du bist nicht aus Glas. Weißt du, ich hatte anfangs meine Zweifel, dich kommen zu lassen. Aber ich glaube jetzt, es war das Beste, was ich für dich tun konnte. Lange genug bist du verhätschelt und verwöhnt worden, mein Kind. Es ist an der Zeit, dass du auch mal die andere Seite des Lebens kennenlernst. Außerdem findest du es möglicherweise sogar interessant.“   

Im Stillen fragte sich Johanna, was sie hier wohl tun, wie sie die Tage ausfüllen sollte. Doch rasch schob sie den Gedanken beiseite. Egal, sie war nun einmal hier und wollte jeden Tag nehmen, wie er kam...   Es dauerte nicht lange, bis einer der Männer ein Tablett mit Kaffee brachte. Johanna saß in einem Segeltuchsessel, trank Kaffee, rauchte eine Zigarette und fand plötzlich alles nicht mehr so schlimm.   Ihr Vater war ehrlich erfreut, sie bei sich zu haben, und Neuigkeiten aus der Heimat zu hören. Johanna ihrerseits lauschte aufmerksam und interessiert, als er von seinen Arbeiten berichtete. Die Zeit verging im Nu, und schließlich beendeten die Männer ihre Arbeit und setzten sich zu ihnen. Sie tranken Bier, rauchten und beteiligten sich an der Unterhaltung. Es fehlten eigentlich nur die Frauen, sonst hätte dieser gemütliche vorabendliche Plausch überall stattfinden können.   Schließlich stand ihr Vater auf und sagte: „Die Zeit vergeht, ich glaube, du möchtest dich etwas frisch machen, bevor wir zu Abend essen?“  

„Ich hatte schon Angst, du kämmst nie darauf“, lachte Johanna. Der Professor legte seinen Arm um ihre Schulter. „Entschuldige, Johanna. Aber ich war einfach zu gespannt, Neues aus der Heimat zu hören. Die Zeitungen, die wir hier bekommen, sind meistens schon mehrere Wochen alt.“  

Johanna stand auf. „Wo werde ich schlafen?“ Professor Natusius ging auf eine Gruppe von Zelten zu. Vor einem blieb er stehen und hob eine Seite hoch. „Das haben wir für dich bereitgestellt, Liebes. Ich schlafe gleich nebenan. Es ist spartanisch, aber doch ganz bequem. Diese Feldbetten sind es jedenfalls.“  

Johanna ging hinein. Es war tatsächlich spartanisch eingerichtet. Auf dem Sandboden lag ein Stück Leinen, das offenbar eine Art Teppich darstellen sollte. Gleich daneben stand das Feldbett und in unmittelbarer Nähe ein roher Holztisch und ein Sessel dazu. Ein Holzständer diente als Garderobe. Elektrizität erhielten sie über einen Dieselgenerator, erklärte ihr Vater. Der Generator gehöre zum Versorgungsnetz von Don Simón, dem Besitzer des Tals.  

„Doug wird dir schon von Don Simón erzählt haben, oder?“ fragte ihr Vater. Er nickte zwei jungen Mexikanern zu, die mit Johannas Gepäck hereinkamen.

 „Er hat ihn erwähnt, ja“, erwiderte Johanna und ließ sich auf das Bett nieder, um es zu testen. „Wer besorgt die Ausrüstung für euch?“  

„Wir selbst natürlich. Himmel, Johanna, wieviel Gepäck hast du denn bloß mitgebracht?“  

„Aber Papa, ich wusste doch gar nicht, wie hier das Klima ist, deshalb musste ich natürlich ein bisschen mehr zum Anziehen mitbringen. Bei dieser Feuchtigkeit und der Hitze muss ich mich bestimmt zweimal am Tag umziehen.“  

„Du wirst deine Zeit überwiegend hier verbringen, also dürfte das wohl etwas übertrieben sein“, antwortete der Professor. „Und was soll denn das sein? Eine Stereoanlage etwa?“  

„Ja, warum nicht? Ich brauche doch ein bisschen Abwechslung, Papa. Außerdem kann das doch abends sehr hübsch werden, wenn wir Musik hören, tanzen ...“  

„Tanzen!“ Ihr Vater starrte sie entsetzt an. „Pass auf, Johanna. Wir wollen gleich zu Beginn ein paar Dinge klarstellen. Du bist hier die einzige Frau unter dreißig Männern im Camp, die indianischen Helfer eingeschlossen. Ich möchte, dass du dich anständig benimmst. Wie kannst du denn an Tanzerei denken? Willst du sie alle verrückt machen? Willst du, dass sie sich um dich schlagen? Das kommt doch gar nicht in Frage, Johanna.“   Johanna wollte protestieren, aber ihr Vater hob abwehrend die Hand.  

„Ich bin noch nicht fertig. Hör gut zu, Johanna: Ich möchte nicht, dass du dich mit irgendjemand in irgendeiner Weise hier im Camp einlässt. Hast du mich gut verstanden?“  

Wütend starrte Johanna ihn an. „Ich weiß wirklich nicht, was du meinst“, brauste sie auf. „Um Himmels willen, du tust ja als wäre ich ein männerfressender Vamp! Ich habe dir nie Anlass gegeben, so von mir zu denken. Ich bin nicht hergekommen, um die Expedition durcheinanderzubringen oder Unfrieden zu stiften. Ich wollte bei dir sein, wollte sehen, wie du arbeitest. Jetzt bereue ich schon fast, gekommen zu sein.“  

„So habe ich das nicht gemeint, Johanna. Obwohl ich zugeben muss, dass ich nicht mehr so sicher bin, ob dein Kommen wirklich klug war. Nun ja, du bist hier, und du solltest dich schnell eingewöhnen. Du solltest dich mit den hiesigen Gepflogenheiten rasch vertraut machen, bevor du Don Simón kennenlernst. Weißt du, er stammt von Spaniern ab, und seine Einstellung zu Frauen ist ziemlich konservativ. Überflüssig zu erwähnen, dass er deine Anwesenheit hier nicht gerade schätzen wird. Zum Glück ist er im Augenblick nicht da, so kannst du dich erst einmal einleben, bevor ihr euch kennenlernt.“  

„Also, weißt du“, empörte sich Johanna, „was spielt das denn für eine Rolle, was dieser Mann denkt? Er ist doch nicht verantwortlich für die Expedition, das bist du! Wie kann er dir irgendwas vorschreiben?“  

„Johanna, das ist Mexiko und nicht Deutschland. Außerdem gehört ihm das Tal. In den Augen der Mexikaner ist er hier der Gebieter, und was er sagt, ist Gesetz. Darüber hinaus sind wir auf ihn angewiesen. Er versorgt uns mit allem, was wir für unsere Ausgrabungen brauchen. Wenn er anordnet, dass wir das Tal verlassen sollen, könnten wir auch nichts dagegen unternehmen. Du siehst also, in welcher Lage ich bin.“  

„Ja, das sehe ich. Scheint wirklich ein ziemlich feudalistischer Typ zu sein, dieser Don Simón. Doug hat ihn so bezeichnet. Also gut, ich spiele dein Spiel mit, Papa. Aber erwarte nicht zu viel auf einmal, ja?“  

Der Professor lachte. „Das werde ich schon nicht. Nun komm aber, ich will dir die Dusche zeigen. Sie ist recht einfach, aber sie erfüllt ihren Zweck.“  

Die Dusche befand sich in einem hölzernen Verschlag. Sie bestand aus nichts anderem als einem aufgehängten Tank mit Regenwasser. Zog man an einem Griff, ergoss sich das kalte Wasser auf den Darunterstehenden. Wieder lachte der Professor, als er Johannas Gesichtsausdruck sah. Dann wünschte er ihr viel Spaß und verschwand. Rasch zog Johanna sich aus und verstaute die Sachen in einer großen Tasche, die sie mitgebracht hatte. Die frische Kleidung und ihr rotes Badetuch hängte sie an die Haken an der Holzwand.   Johanna hielt einen Augenblick die Luft an, als das kalte Wasser herabstürzte, aber der Schock war Sekunden später vorbei. Es tat gut, überhaupt Wasser zu spüren. Genüsslich spülte sie den Staub der Reise von sich ab. Gerade wollte sie das Wasser abstellen, als sie auf dem Boden, direkt neben ihrem Fuß eine riesige schwarze Spinne entdeckte.  Im Allgemeinen reagierte sie auf solche Dinge ziemlich besonnen. Hier und heute aber ergriff sie ein Gefühl der Panik. Statt der Spinne auszuweichen, stieß sie einen schrillen Schrei aus, griff nach dem Badetuch und stürzte zur Tür. Im Nu war sie draußen - und wurde von einem Mann aufgefangen. Völlig verwirrt sah sie ihm ins Gesicht und stellte fest, dass es ein Mexikaner sein musste. Er hatte dunkle Haut und beinahe schwarze Augen.  

„Lassen Sie mich los“, rief sie verzweifelt.  

„Beruhigen Sie sich erst mal“, sagte der Mann mit gelassener, kühler Stimme. Johanna merkte in ihrer Verwirrung nicht, dass er Deutsch sprach.  

„Ich will mich nicht beruhigen!“ Sie wusste wahrhaftig nicht, warum sie so wütend war.  

Er ließ sie los. „Entschuldigung“, sagte er, ging an ihr vorbei in den Stall und stellte das Wasser ab. Sie hatte es in der Eile vergessen. Johanna zog unwillkürlich das Badehandtuch enger um sich. Zum ersten Mal in ihrem Leben wurde sie mit einer Situation nicht augenblicklich fertig. Sie ahnte nur, dass sie ziemlich albern wirken musste, was sie noch mehr aufbrachte.  

„Wie kann man hier nur leben!“ schrie sie. „Das ist alles so primitiv, widerlich. Würde mich nicht wundern, wenn man hier auch noch von Wanzen aufgefressen wird!“  

Das Gesicht des Mannes wurde beinahe zur Maske. Schweigend stand er da und sah Johanna an. Eine Ahnung beschlich sie beim Anblick des Mannes, der größer war als die Mexikaner, die sie seit ihrer Ankunft gesehen hat. Er war schlank, fast hager und hatte pechschwarzes Haar. Man konnte ihn nicht unbedingt als gutaussehend bezeichnen, aber zweifellos hatte er etwas Markantes an sich. Ganz plötzlich war Johannas Vater da, neben ihm David Hamilton, einer von Professor Natusius langjährigen Grabungspartnern. Er wirkte betroffen, wenn nicht gar verärgert, als er auf seine Tochter sah.  

„Don Simón“, stieß er nervös hervor und dann: „Was ist denn hier vorgefallen, Johanna?“  

„Ich fürchte, diese - äh - junge Dame hatte irgendwelche Schwierigkeiten, während sie duschte“, hörte sie Don Simón sagen. Seine Stimme klang seidenweich. „Unglücklicherweise weiß ich nicht ihren Namen, ebenso wenig kenne ich den Grund ihres Hierseins.“ Seine Augen verengten sich ein wenig, während er Professor Natusius ansah: „Ich nehme an, Sie kennen die junge Dame dafür umso besser.“  

Professor Natusius hatte seine Nervosität überwunden. Mit ruhiger Stimme sagte er: „Es tut mir leid, Don Simón. Aber ich glaube, es ist weder die richtige Zeit noch der richtige Ort, Ihnen meine Tochter vorzustellen. Johanna ...“ Er drehte sich zu seiner Tochter um. „Ich schlage vor, du gehst deine Sachen holen und verschwindest in deinem Zelt, um dich anzukleiden. Sofort bitte!“  

Johanna fühlte sich geschulmeistert wie ein kleines Mädchen. Nur mit Mühe gelang es ihr, sich zu beherrschen und die Tür zum Duschraum zu öffnen. Während sie ihre Sachen zusammenraffte, sah sie auf dem Boden die zertretene Spinne liegen. Absichtlich oder nicht - dieser Don Simón musste sie zerquetscht haben.